© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/23 / 04. August 2023

Wahl der Qual
Deutschland Mitte-Rechts: Union und AfD diskutieren über mögliche Kanzlerkandidaten. Wer gute Chancen hat – und wer nicht, verrät eine exklusive Befragung im Auftrag der JF
Henning Hoffgaard

Hendrik Wüst hat diese Woche gleich zwei politische Großdebatten für beendet erklärt. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es nicht geben und die Kanzlerfrage stelle sich gerade nicht für die CDU – und dürfe ohnehin nicht ohne die mächtigen Landesvorsitzenden entschieden werden. Wie praktisch, daß Wüst in Nordrhein-Westfalen selbst einer dieser mächtigen Vorsitzenden ist. Daß er selbst Ambitionen hat, dem angeschlagenen Parteichef Friedrich Merz die Kanzlerkandidatur streitig zu machen, pfeifen die Spatzen von den Dächern. 

Doch wie kommt Wüst überhaupt bei den Wählern an? Kann er, wie es sich die Union wünscht, Wähler von der AfD zurückgewinnen? Und bei welchen Wählern punktet der Düsseldorfer Regierungschef?  Die seit Januar vom Meinungsforschungsinstitut Insa exklusiv für die JUNGE FREIHEIT erhobene monatliche Auswertung, wie ausgewählte Politiker bei den Mitte-Rechts-Wählern ankommen, gibt Antworten. 

Betrachtet man nur die Wähler von Union, AfD und FDP, muß sich Wüst mit dem fünften Platz begnügen und liegt damit weit hinter den Spitzenreitern Markus Söder (CSU), Merz und AfD-Chefin Alice Weidel. Selbst Linkspartei-Rebellin Sahra Wagenknecht schiebt sich noch vor den Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen. Auch bei den eigenen Unions-Wählern muß sich Wüst Söder und Merz geschlagen geben und kommt auf Rang drei vor Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Deutlich beliebter als Söder und Merz ist Wüst nur bei den Wählern von SPD, Grünen und Linkspartei. Bei den Wählern der FDP kommt er hinter Parteichef Christian Lindner, Merz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP).

Besonders schlecht schneidet Wüst bei den Unterstützern der AfD ab. Mit 24 Punkten liegt er nur knapp vor Lindner auf dem vorletzten Platz. Der direkte Vergleich zur AfD-Chefin zeigt, wie schwach Wüst bei den eigenen Anhängern verwurzelt ist. Während Weidel bei AfD-Wählern einen Rekordwert von 73 Punkten einfährt, kommt Wüst bei der eigenen Klientel nur auf 57 Punkte.

Wagenknecht verliert beständig an Zustimmung

Doch nicht nur bei der Union kündigt sich ein Duell um die Kanzlerkandidatur an. Auch die AfD spielt mit dem Gedanken, eine solche Position auszuschreiben – auch wenn sich alle in Frage kommenden AfD-Größen dazu bedeckt halten. Hier gilt die alte Regel „zuerst genannt, zuerst verbrannt“. Dennoch ist klar, daß die beiden Parteichefs Weidel und Tino Chrupalla ein gewisses Vorgriffsrecht hätten. Und beide hätten durchaus Argumente für ihre Kandidatur. So schlägt Weidel ihren Co-Sprecher bei den eigenen Wählern zwar um Längen (73 zu 48 Punkten), allerdings liegt Chrupalla bei den Anhängern aller anderen Parteien – wenn auch zum Teil recht knapp – vor Weidel. Es dürfte schwerfallen, Weidel den Titel der AfD-Stimmenkönigin streitig zu machen. Dazu sind ihre Werte zu stabil. So kommt sie heute noch auf den etwa gleichen Wert wie im Januar. 

Und Sahra Wagenknecht? Die streitbaren Linkenpolitikerin kann bisher nicht von der Debatte um eine mögliche Parteineugründung profitieren. Seit Beginn der Befragung im Januar verliert sie langsam, aber beständig an Zustimmung – vor allem bei Wählern der AfD und der Linkspartei. Für die Vielleicht-Parteigründerin wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Und das auch ganz ohne Kanzlerkandidatur.