© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/23 / 04. August 2023

Ländersache: Niedersachsen
Kein Kuscheln mehr mit dem Wolf
Christian Vollradt

In einer Freitagnacht hat er wieder zugeschlagen: Neun Muttertiere und ein Lamm, die zu einer 40köpfigen Schafherde gehörten, riß ein Wolf Ende Juli im Landkreis Uelzen. Bereits kurz zuvor hatte mutmaßlich dasselbe Raubtier zwei Schafe getötet und andere schwer verletzt. Nicht nur Nutztierhalter haben sich in der Region zu einer „Bürgerinitiative für wolfsfreie Nord-Ost-Heide“ zusammengeschlossen. Auch andere machen sich Sorgen, da die jüngsten Vorfälle nur 50 Meter von einem Wohngebiet stattfanden, wo junge Familien mit kleinen Kindern leben.

Möglicherweise wegen des wachsenden Widerstands in den betroffenen Kommunen, möglicherweise auch wegen der gesunkenen Umfragewerte scheinen Niedersachsens Regierungsparteien ihre Wolfspolitik zu ändern. Zunächst hatte Umweltminister Christian Meyer (Grüne) seine bisher strikte Ablehnung einer Bejagung aufgegeben. Angesichts der vermehrten Risse von Nutztieren und einer jährlichen Summe von zig Millionen Euro, die Schutzmaßnahmen oder Entschädigungen verschlingen, stellte der grüne Ressortchef fest, man könne „nicht das ganze Land einzäunen“. Wenn Wölfe in einer Region gehäuft Nutztiere reißen, sollen sie „zeitlich und örtlich begrenzt“ bejagt werden dürfen. Damit müsse nicht mehr aufwendig nach einem einzelnen Tier als Verursacher gefahndet werden. Mit Ausnahmegenehmigungen sogenannte „Problemwölfe“ einzeln zu „entnehmen“, sprich zu erschießen – dieser Ansatz sei gescheitert. Bisher habe es stets die Falschen getroffen, so Meyer.

Und auch die SPD hat das Thema „Wolfsmanagement“ für sich entdeckt und in einem dieser Tage veröffentlichten Positionspapier einen „rationalen Umgang“ gefordert. Man erkenne den „Wolf als natürlichen Teil der heimischen Fauna in Niedersachsen an“, spreche sich aber auch für ein „vernünftiges regionales Bestandsmanagement“ aus, so der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Grant Hendrik Tonne. Von Bund und EU fordert man gesetzliche Änderungen, „um die Entnahme von Wölfen im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit Nutztierrissen oder Annäherungen an Siedlungsgebiete weitestgehend zu ermöglichen“.

In der Opposition bezweifelt man die Ernsthaftigkeit des angekündigten Umsteuerns. Die SPD wolle wohl eher das Sommerloch füllen, unkte der agrarpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Alfred Dannenberg. Wenn die Partei von Ministerpräsident Stephan Weil, der das Thema schon vor Monaten zur Chefsache erklärt hatte, es wirklich „ernst meint mit einem vernünftigen Wolfsmanagement, erwarten wir einen entsprechenden Vorstoß zur Bejagung im September-Plenum“, so der Politiker und Landwirt aus der Heide. 

Unterdessen planen die Landesjägerschaft und weitere Verbände in Niedersachsen eine Volksinitiative mit dem Ziel, den strengen Schutz des nicht vom Aussterben bedrohten Wolfes zu lockern. Die Landesregierung in Hannover solle eine entsprechende Bundesratsinitiative starten, so die Forderung. Vielleicht ist es solch ein Druck von unten, der die Regierungsparteien zum Einlenken bewegt. Wie sagt ein afghanisches Sprichwort: „Mitgefühl mit dem Wolf ist Grausamkeit gegenüber den Lämmern.“