© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

Israelbezogener Antisemitismus
Verkleidete Kritik am „Projekt des weißen Siedlungskolonialismus“
Oliver Busch

Während in der westdeutschen Bevölkerung der 1960er und 1970er Jahre eine „große Begeisterung“ für den jüdischen Staat herrschte, stehen die Deutschen nach aktuellen Umfragen Israel „eher kritisch“ gegenüber. Was die Historikerin Jenny Hestermann, die das Büro der grünen Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv leitet, auf deren „immer noch tief verankerte antisemitische Grundhaltungen“ zurückführt. Ob sie wirklich so „tief verankert“ sind, wie Hestermann in ihrer Kurz-Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen behauptet, daran sät sie selbst erhebliche Zweifel mit dem Verweis auf „die Jugend in Deutschland“, die aus ihrer reichlich verengten Perspektive erst in den letzten zehn Jahren nach links gerückt sein soll und bei diesem Schwenk unter den Einfluß der Ideologie internationaler „postkolonialer Bewegungen“ geraten sei. Für dieses ist Israel als „Projekt des weißen Siedlungskolonialismus“ zum Inbegriff des imperialistischen Rassismus geworden. 

Ende der „Kolonisation allen arabischen Landes“ gefordert

Dieser importierte „israelbezogene Antisemitismus“, so stellt Klaus Holz, Soziologe und Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, im selben, Israels 75. Gründungsjubiläum gewidmeten Themenheft der Bundeszentrale für politische Bildung klar, ist kaum zwanzig Jahre alt (Aus Politik und Zeitgeschichte, 18-19/2023). Er ging unter der Losung „Boycott, Divestment and Sanctions“ von der 2005 unter Beteiligung der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“, der Hamas und des Islamischen Dschihad ins Leben gerufenen militant antisemitischen BDS-Bewegung aus, die den Juden bestreitet, eine Nation zu sein und ein historisch legitimiertes Existenzrecht in Palästina beanspruchen zu dürfen. Da die führenden BDS-Köpfe auch eine – aktuell ohnehin immer unwahrscheinlichere – „Zwei-Staaten-Lösung“ ablehnen, optieren sie kompromißlos für ein Ende der „Kolonisation allen arabischen Landes“ und damit sans phrase für die Auflösung Israels und die Vertreibung der Juden. 

Nicht nur für palästinensische Ultras wäre dies die passende Antwort auf die „Nakba“ (Katastrophe) von 1948, als im Zuge der jüdischen Staatsgründung 750.000 Palästinenser gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen. Für deren Nachkommen, 5,9 Millionen Menschen weltweit, die Ende 2022 immer noch als „Flüchtlinge“ registriert sind, sei die Nakba weiterhin ein traumatisches, nicht abgeschlossenes Ereignis, wie Muriel Asseburg (Stiftung Wissenschaft und Politik) ausführt. Sie hält einen friedlichen Ausgleich noch für möglich, sofern Juden und Palästinenser ihre historischen Erfahrungen aus den „beiden Katastrophen Shoah und Nakba“, sechs Millionen Holocaust-Tote gegen eine Dreiviertelmillion Vertriebene (was sie natürlich „nicht gleichsetzen“ will, um es doch zu tun), in einen Aussöhnungsprozeß einbrächten. Für dessen Gelingen trage Deutschland natürlich Mitverantwortung, da der Holocaust auch zur Nakba führte.

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