© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

GegenAufklärung
Karlheinz Weißmann

Man merkt all den Klimarettern, Flüchtlingshelfern, Antifaschisten, Antirassisten und Antisexisten an, daß ihnen noch nie jemand mit Nachdruck widersprochen hat.

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Die Welt bringt in loser Folge Beiträge zum Thema „Was ist konservativ?“ Bei der Auswahl ist man so vorsichtig, daß bevorzugt Linke – die Autorin Juli Zeh, der Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der ehemalige Chefredakteur Thomas Schmid – zu Wort kommen, die, vielleicht reifebedingt, eine gewisse Affinität zu sentimentalen Betrachtungen haben. Aber unlängst brachte man auch einen Beitrag von Andreas Rödder, der als CDU-Mann und Merkel-Kritiker ein anderes Profil aufweist. Das Ergebnis ist allerdings wenig überzeugend, eher ein weiterer Versuch, den Begriff „konservativ“ so weit zu glätten, daß er keinen Anstoß mehr erregt. Mein persönlicher Lieblingssatz in Rödders Text ist der, daß Konservative „den Menschen, der Welt und der Geschichte grundsätzlich freundlich“ gegenüberstehen.

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„Die Diskursverweigerung funktioniert aber nur, solange es sich nicht schickt, eine bestimmte Partei zu wählen. Die soziale Marginalisierung zielt ins Leere, wenn ein Fünftel bis ein Drittel der Bürger für die AfD stimmt. In Ostdeutschland schämt sich schon lange niemand mehr für diese Wahlentscheidung. Bang muß man sich fragen, welchen Zulauf die Partei wohl fände, wenn sie nicht ständig mit dem braunen Sumpf kokettieren würde.“ (Eric Gujer in der Neuen Zürcher Zeitung vom 14. Juli)

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Zwei Meldungen an einem Tag: Die Boston Consulting Group (BCG) hat im Auftrag der Leitung der Göttinger Universität ein Konzept erarbeitet, das deren Bibliothek in der Struktur „verschlanken“ und auf „Kernaufgaben“ beschränken soll. Unter anderem will man der Staats- und Universitätsbibliothek den eigenen Direktor nehmen, und sicher geht es auch um Personalabbau. – Das Stockholmer Karolinska-Institut – die angesehenste medizinische Institution Schwedens – hat eine Empfehlung für die Nationale Bildungs-Agentur des Landes erarbeitet, in der es vor der weitergehenden Digitalisierung des Unterrichts warnt. Dieser Modernisierungsprozeß führe nicht zur Anhebung des Niveaus, sondern zu dessen Gegenteil. Hauptursache sei, daß das Lesen am Bildschirm niemals mit derselben Intensität erfolge wie das von Texten, die auf Papier gedruckt wurden, daß die Gefahr der Ablenkung bei Recherchen im Netz außerordentlich groß bleibe und die Kinder lernten, unkritisch alle möglichen Inhalte zu akzeptieren, die ihnen dort leicht konsumierbar angeboten würden. Ergänzend wird bemerkt, daß die Digitalisierung auch keine positive Auswirkung auf die Chancengleichheit habe, da es in bildungsfernen Milieus erst recht keine Instanzen gebe, die als Korrektiv dienen könnten.

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„Den angemessenen Druck einwirken zu lassen – nicht zu viel und nicht zu wenig – das ist die große Kunst und die große Aufgabe aller, die herrschen. Es ist auch das große Problem unserer Selbsterziehung. Denn hier liegt die Wurzel alles Gedeihens für uns. Nicht Not, aber maßvoller Druck; nicht Härte, aber Sprödigkeit des Schicksals; nicht Verkümmerung, aber ein Gelingen welches unerfüllter Sehnsucht weiten Raum läßt: das ist das ernste Glück unseres Lebens.“ (Alfred Vierkandt, Völkerkundler)

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Das Problem ist nicht unkontrollierte Masseneinwanderung oder Masseneinwanderung, sondern Einwanderung.

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„Der sell-out war vollständig. Seitdem gibt es in Deutschland keine organisierte Opposition mehr. Die parlamentarische Regierungsform ist vollends zur Fassade für ein Machtkartell geworden, das der verfassungsmäßige Souverän, das Volk, auf keine Weise mehr beseitigen kann. Abstimmungen im Bundestag gleichen seitdem der Prozedur, die in Volksdemokratien üblich ist. … Die Regierung ist dabei, diese Situation durch Manipulationen des Wahlrechts und durch Notstandsgesetze zu zementieren. Das Ende der zweiten deutschen Demokratie ist absehbar.“ (Hans Magnus Enzensberger, 1967)

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Frankreich muß die Ausschreitungen der Horden junger Männer nord- oder schwarzafrikanischer Herkunft als zweites Scheitern seiner kolonialen Sendung betrachten. Nachdem es sich als aussichtslos erwiesen hat, kleine Vietnamesen, Algerier oder Madegassen davon zu überzeugen, daß ihre Vorfahren Gallier waren – entsprechend dem berühmten ersten Satz der Schulfibeln – und es unmöglich war, sie später qua Disziplinierung, Erziehung, Alimentierung und Eingliederung in Verwaltung oder Armee zu Franzosen zu machen, hat sich nun gezeigt, wie vergeblich man auf das „republikanische Modell“ gesetzt hat, um die Einwanderer zu assimilieren, die aus dem ehemaligen Empire ins Mutterland kamen. Und zwar nicht einmal dann, wenn sich die Große Nation farbenblind gab, die Staatsbürgerschaft verschenkte, die Neubürger mit Märchen über den Wert ihrer Kultur erbaute und den Biofranzosen beibrachte, daß sie zu einer minderwertigen Rasse gehörten, die besser heute als morgen vom Erdboden verschwinde.



Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 4. August in der JF-Ausgabe 32/23.