© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

KI-Textproduktion stärkt Hegemonie des Englischen
Schablonenhafter Schreibstil

Die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz (KI) auf die wissenschaftliche Textproduktion sind erst in Umrissen erkennbar. Nur die elitäre Spezialisten-Truppe der Wissenschaftsübersetzer scheint nicht zu fürchten, künftig durch Large Language Models (LLMs) brotlos zu werden. Nach einer unter ihnen von Dirk Siepmann, Professor für Fachdidaktik des Englischen (Uni Osnabrück), durchgeführten Umfrage sehen nur wenige in der KI eine akute Bedrohung, wünschen sich aber eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die Schwächen und Nachteile der neuen Schreibstrategien. Auf die Beruhigungsformel, es werde auch künftig möglich sein, menschliche und KI-basierte Texte zu unterscheiden, vertraue in diesem Kreis niemand mehr. Denn die Erwartung, daß sprachliche Unvorhersehbarkeit in der Regel einen menschlichen Textverfasser verrate, erweise sich als trügerisch, da LLMs mittlerweile eines kreativen Sprachgebrauchs fähig sind. Es wäre falsch anzunehmen, wie Siepmann warnt, daß LLMs wie stochastische Papageien funktionieren, die Wörter lediglich nach ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit kombinieren. Obwohl sie einen individuellen Schreibstil noch nicht perfekt imitieren können, sei doch zu erwarten, daß natürliche und künstliche Texte bald ununterscheidbar sein dürften. Aber diese artifizielle Textproduktion setze eigentlich nur einen nicht auf die Naturwissenschaften begrenzten Trend der 1950er fort: die Entwicklung eines fast schablonenhaft funktionalen Nominalstils der kurzen Sätze in einfacher Sprache. Womit eine weitere Stärkung der Hegemonie des Englischen einhergehe (Forschung & Lehre, 7/2023). (dg)  www.forschung-und-lehre.de