Der 69jährige Umweltanwalt Robert F. Kennedy Jr. , der 1983 unter anderem wegen Heroinbesitzes verurteilt wurde, tritt bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei für die Präsidentschaftskandidatur 2024 gegen Joe Biden an und erhält jüngsten Umfragen zufolge zwischen 15 und 20 Prozent Unterstützung. In seinem Wahlprogramm kritisiert er die Covid-Politik und die Impfung, die seiner Meinung nach gesundheitsschädlich und das Ergebnis eines Regierungskomplotts zur Bereicherung der Pharmakonzerne sowie von CIA-Plänen zur Kontrolle des amerikanischen Lebens seien.
„In dem Moment, in dem sie Ihnen den Impfpaß aushändigen, wird jedes Recht, das Sie haben, in ein Privileg umgewandelt, das von Ihrem Gehorsam gegenüber willkürlichen Regierungsvorschriften abhängt“, erklärte Robert F. Kennedy Jr. im Januar 2022 einer jubelnden Menge bei einer Kundgebung gegen Impfvorschriften in Washington. „Es wird dich zum Sklaven machen.“
In seinem Bestseller „Das wahre Gesicht des Dr. Fauci: Bill Gates, die Pharmaindustrie und der globale Krieg gegen Demokratie und Gesundheit“ behauptete Kennedy, daß Fauci, Präsident Bidens medizinischer Berater, während der Coronavirus-Pandemie, und Bill Gates, der Mitbegründer von Microsoft, mit der Pharmaindustrie unter einer Decke stecken, um Profit mit gefährlichen Impfstoffen zu machen.
Er behauptet, daß China und die USA sich verschwören, um Biowaffen zu bauen. Er erklärt, daß der nationale Sicherheitsstaat sowohl John und Robert Kennedy als auch Martin Luther King und Malcolm X umgebracht habe. Er stellt die Theorie auf, daß Schießereien in Schulen das Ergebnis von Antidepressiva und anderen Medikamenten seien, die Kindern verabreicht werden, während Chemikalien wie Quecksilber in der Wasserversorgung Transgenderismus verursachen würden. Wi-Fi verursache Gehirnkrebs.
Gern verweist Kennedy Jr.
auf seine berühmte Familie
Das sind nur seine interessantesten Verschwörungstheorien. Jeder andere Kandidat mit ähnlichen Ansichten würde es nicht einmal in die Lokalnachrichten schaffen, aber Robert F. Kennedy Jr. ist der Sohn von Robert F. und Ethel Kennedy, eben ein Sproß einer der berühmtesten politischen Familien Amerikas in der Neuzeit.
Eine der Triebfedern für Kennedys Unterstützung ist, daß die Wähler die beiden führenden Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump mit großer Mehrheit ablehnen. Kennedy versteht es, das Erbe seines Vaters und seines Onkels zu nutzen, um an die Nostalgie der Wähler zu appellieren. Auf Wahlkampftouren sagt er oft: „Wir können Amerika die großartige Vitalität der ursprünglichen Kennedy-Ära zurückgeben. Wenn das wie eine demokratische Version von Trumps Motto „Make America Great Again“ klingt, dann ist das so. Kennedy spiegelt Trump auch in anderer Hinsicht wider, nämlich in der Art und Weise, wie er sich zu seinen Anhängern verhält: Das System ist gegen euch manipuliert. Meine Kritiker haben Angst und verfolgen mich, weil ich die Wahrheit sage. Ich bin der Prophet, der die Erlösung bringt.
Die Strategen der Demokraten glauben nicht, daß Kennedy eine Chance auf den Sieg hat, aber sie befürchten, daß er Biden sowohl bei den Vorwahlen als auch bei den Parlamentswahlen schaden könnte. Sie haben ihre eigene Verschwörungstheorie: Die Kennedy-Kampagne ist das Ergebnis einer Verschwörung des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon und des Trickbetrügers Roger Stone, um Biden zu schaden. Stone, der seit Richard Nixon an 13 Präsidentschaftskampagnen mitwirkte, brachte öffentlich das „Dream Bi-partisan National Unity Ticket of Trump-RFK Jr. in 2024“ ins Gespräch. Es ist aber unwahrscheinlich, daß sich Trump zu RFK Jr. bekennt, dessen Positionen zur Waffenkontrolle, zum Klimawandel und zur Abtreibung allesamt im Gegensatz zu Trump und dessen Basis stehen. Aber Kennedy gab zu, mehrmals in Trumps Flugzeug mitgeflogen zu sein, und ist mit Stone befreundet. Ein Bündnis zwischen Trump und Kennedy ist nicht von der Hand zu weisen. Die alten Regeln der Politik gelten nicht mehr.
Falls die konservativen Kräfte Robert Kennedy Jr. nicht als ernsthaften Kandidaten sehen wollen, wie Roger Stone vorschlägt, sondern als ihren nützlichen Idioten des Jahres, dann besteht das Problem bei dieser Strategie darin, daß, wie Stone andeutet, so viele RFK-Jr.- und Trump-Wähler dieselben Leute sind, wie kann das also Biden schaden? Eine Hauptbotschaft beider Politiker ist, daß die Menschen von den Medien und einem korrupten und sklerotischen politischen Establishment belogen werden. Bei jeder US-Präsidentschaftswahl seit mindestens Lyndon B. Johnson gibt es einen großen Teil der Wähler, in der Regel etwa 25 Prozent, die beide Kandidaten nicht mögen und bereit sind, für einen Aufrührer zu stimmen. Bernie Sanders hätte 2016 fast Hilary Clinton und 2020 Joe Biden als dieser Kandidat geschlagen, aber es ist unwahrscheinlich, daß RFK Jr. mit seinem politischen Profil mithalten kann, wenn die Wähler über den Bekanntheitsgrad hinausgehen und seine politischen Positionen aufnehmen. Als RFK im April ins Rennen ging, waren seine Sympathiewerte in den Umfragen in etwa so hoch wie jetzt, aber seine Ungunstwerte steigen.
Direkt hinter Kennedy liegt in den Umfragen die New-Age-Flower-Lady und Ökospiritualistin Marianne Williamson. Sie glaubt, daß Amerika geheilt wird, wenn wir uns alle irgendwo an einem Strand die Hände reichen und uns kosmisch verbinden. Für diese weder rechts noch links einzuordnende Mischung aus Verschwörungs- und Wellness-Kultur hat sich ein neuer Begriff herausgebildet: Konspiritualität. In diesem Szenario wird sich eine neue politische Ausrichtung herausbilden, die aus Quinoa essenden Fitneßtrainern, Anti-Vaxxern und Gegnern von Big Pharma und Big Tech besteht.
Auch Kennedy zapft diese Unzufriedenheit über die globalistischen Eliten an, die als Menschen wahrgenommen werden, die aus dem Nichts kommen. Hinzu kommt, daß Impfstoffwissenschaftler sich weigern, mit Kennedy zu diskutieren, weil sie seinen Theorien keine Legitimität verleihen wollen. Aber das verschafft Kennedy als Verfechter der Meinungsfreiheit und als Wahrheitsverkünder nur Vorteile.
Die beiden großen Parteien verlieren ihre Bindekraft
RFK Jr. wäre heute überhaupt kein Faktor in der nationalen Politik, wäre da nicht die Tatsache, daß in der amerikanischen Politik eine einmalige Neuausrichtung stattfindet, da beide großen Parteien zunehmend aufhören, große Wählerschichten zu binden. Die Dezentrierung führt dazu, daß ein immer größer werdender Prozentsatz unabhängiger und unzufriedener Wechselwähler nicht nur den Demoskopen Sorge bereitet.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird RFK Jr. seine Herausforderung an Biden bis zu den Vorwahlen fortsetzen. Biden wird ihn ignorieren, nicht mit ihm debattieren und nicht auf ihn eingehen, aber Kennedys Präsenz wird sich bemerkbar machen, weil die meisten Demokraten im Jahr 2024 lieber einen jüngeren und dynamischeren Kandidaten hätten. Kennedy wird eine ständige Erinnerung an diese unbequeme Wahrheit sein. Er ist ein sehr unvollkommener Bote für die Anti-Biden-Kräfte innerhalb der Demokratischen Partei, eine Mischung aus Ralph Nader, Bernie Sanders und Donald Trump, aber er wird der Wahl 2024 auf die eine oder andere Weise seinen Stempel aufdrücken, es sei denn, die Angst der Demokraten vor Trump veranlaßt die meisten ihrer Wähler dazu, von einem Abstecher in die Konspirativität nach Hause zurückzukehren.