Das Präventionsprogramm „Wegweiser“ sowie das Aussteigerprogramm Islamismus (API) gelten als elementare Säulen der Islamismus-Prävention in Nordrhein-Westfalen. Während sich „Wegweiser“ an muslimische Jugendliche richtet, die in den Islamismus abzurutschen drohen und von Sozialarbeitern „aufgefangen“ werden sollen, richtet sich das API auch an bereits aktive, ausstiegswillige Dschihadisten. Typischerweise sind das IS-Rückkehrer oder von der Polizei als Gefährder eingestufte
Personen.
Entwickelt wurden beide Programme vom NRW-Verfassungsschutz. Initiiert wurden sie vom ehemaligen Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD), der die Programme 2014 präsentierte.
Als sich 2016 nach einem Anschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen herausstellte, daß der verurteilte Haupttäter nur vier Tage zuvor eine „Wegweiser“-Sitzung besucht hatte, gab es jedoch erste Zweifel am Programm.
Deshalb fand im Januar 2018 eine Experten-Anhörung im Düsseldorfer Landtag statt. Die meisten der dort geladenen Sachverständigen lobten das Programm.
Dann stellte sich aber heraus, daß zwei der vermeintlichen Experten selber für „Wegweiser“ arbeiteten und dies den Abgeordneten verschwiegen wurde. „Wegweiser begutachtet sich selbst“, titelte eine fachkundige Autorin daraufhin spöttisch.
In den Folgejahren betonte Jägers Amtsnachfolger Herbert Reul immer wieder, der überwiegende Teil der „Wegweiser“-Fälle werde positiv abgeschlossen. Genaue Zahlen nannte der CDU-Politiker jedoch nie. Auch erklärte er nie, anhand welcher Kriterien ein Fall als abgeschlossen gilt.
Nach weiteren kritischen Nachfragen versprach er, das Programm evaluieren zu lassen. Wie aus dem vergangene Woche von Herbert Reul und Landesintegrationsministerin Josefine Paul (Grüne) vorgelegten dritten Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ hervorgeht, ist dies inzwischen erfolgt. Konkret heißt es, die Evaluierung habe
Konzeption, Struktur und Prozesse des Programms „positiv bewertet“. Dessen Ergebnisse aber wurden entweder nicht evaluiert oder im Bericht nicht mitgeteilt.
Denn Zahlen gab es darin nur zu den bearbeiteten Fällen, die aus 7.082 „Sensibilisierungsmaßnahmen“, 34.496 beantworteten Anfragen und 1.347 Beratungen bestanden haben – aber eben nicht dazu, mit welchem Ergebnis diese abgeschlossen wurden.
Besonders auffällig war, daß Herbert Reul im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen in dem Bericht nichts mehr über positiv abgeschlossene Fälle gesagt hat.
Damit dürfte sich bei Experten und fachkundigen Parlamentariern der Eindruck eines teuren, aber erfolglosen Programms verfestigen. Beim API konnte der CDU-Innenminister einen Erfolg in Form von 42 positiven Fallabschlüssen vermelden. Bei in neun Jahren rund 250 betreuten potentiellen Aussteigern bedeutet das eine Erfolgsquote von knapp 17 Prozent. Es bedeutet aber auch, daß das API in mehr als 200 Fällen nicht erfolgreich war – was bei Gefährdern und IS-Rückkehrern keine beruhigende Nachricht ist.