© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

Timothy Ballard. Ein Kinohit über den heimlichen Helden sorgt in den USA für eine Sensation und einen Skandal.
Das Herz brechend
Moritz Schwarz

Für einen Tag schockte die Nachricht Hollywood: Ein ausgerechnet von Donald Trump empfohlenes Filmdrama stürmt Platz eins der US-Kinocharts! Dabei sollte das amerikanische Kinowochenende vom 4. Juli, dem Nationalfeiertag, eigentlich dem neuen Indiana-Jones-Film gehören. Immerhin zählt der wilde Abenteurer längst zum nationalen Mythenpantheon der USA, und die knapp 300 Millionen Dollar schwere Großproduktion wurde bereits seit Jahresbeginn als eines der US-Kinoereignisse 2023 gehandelt.

Doch dann erzielte nicht nur ein mit 14,5 Milllionen Dollar lächerlich billiger, sondern auch von allen großen Blättern mit Mißachtung gestrafter Streifen die meisten Kartenverkäufe des Tages. Womit nicht nur die Sensation perfekt war, sondern auch der Skandal, denn der Konkurrent des inzwischen auf woke frisierten Indiana Jones stammt von den Angel Studios aus Utah, die im Ruf stehen, Erbauungsfilme für die christliche Rechte zu machen – und wurde überdies von den beiden Gottseibeiuns Mel Gibson und Donald Trump ihren Anhängern nachdrücklich ans Herz gelegt.

Was so vielen Amerikanern an selbiges gegriffen hat, ist die Verfilmung der Erlebnisse des Ex-Bundesbeamten Tim Ballard. Der in Kalifornien aufgewachsene Mormone, Patriot und stämmige Spezialagent des Heimatschutzministeriums wollte eigentlich Terroristen jagen, um die USA zu schützen. Doch durch den Grenzschutz sei ihm klargeworden, wie wenig strategisch der Handel mit Kindern bekämpft werde. Laut Ballard, 48, seien heute weltweit mehr Menschen versklavt als in der gesamten Geschichte der USA zusammen – ein wachsender Anteil davon Kinder, die man für die illegale Sex­industrie entführt. Denn, erklärt Ballard, das sei lukrativer als Drogen, „die kannst du schließlich nur einmal verkaufen – ein Kind dagegen zehnmal“. 

Etliche etablierte Medien zeigen sich entsetzt, der Film verbreite unterschwellig rechte Verschwörungen.

2013 gründete er die Hilfsorganisation OUR zur Bekämpfung des Kindersexhandels. Doch mit der Zeit begannen die Probleme. Kritiker werfen ihr ungeeignete Methoden und finanzielle Intransparenz vor. 2023 trat Ballard selbst aus. Zudem zweifelt mancher, ob die Darstellung seines Weges überhaupt zutrifft – so will das Heimatschutzministerium seine Mitarbeit bis 2013 weder bestätigen noch dementieren.

In „Sound of Freedom“, wie der Film in Anlehnung an das Anti-Nazi-Musical „The Sound of Music“ von 1959 heißt, werden solche Fragen nicht gestellt. Der Thriller wolle weder Kunst noch Unterhaltung sein, sondern Appell an die Gesellschaft, sich der „dir das Herz brechenden“ (Ballard) Katastrophe des Kinderhandels bewußt zu werden. 

Dennoch zeigen sich etliche etablierte Medien entsetzt. Denn laut der in den USA verbreiteten QAnon-Verschwörungstheorie sei das gesamte US-Establishment pädophil und foltere in Kellern Kinder zu Tode. Unglücklicherweise äußerte sich auch der Hauptdarsteller, Jim Caviezel, in diese Richtung. Gleichwohl ist die Schlußfolgerung, der Film sei deshalb unterschwellige QAnon-Propaganda, kaum weniger verrückt. 

Aufschlußreich ist, was Tim Ballard über den Vertrieb erzählt: Niemand in Hollywood oder bei Streamingdiensten wie Netflix habe den Film  haben wollen. Grund: Das Thema sei Kassengift. Soviel zu den noblen Absichten der Branche, die sich sonst mit Bekenntnissen zu  ihren woken Werten überschlägt.