© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

Berliner Gericht zum Informantenschutz
Eine Frage der Ehre
Martina Meckelein

Das Rückgrat der Pressefreiheit ist der Informantenschutz. Der leitet sich von Grundgesetz-Artikel 5 ab. Damit Medien ihren Auftrag erfüllen können, den Bürger unabhängig zu informieren, sind sie zwingend auf Informanten angewiesen. Die Tipgeber verlassen sich wiederum auf die Verschwiegenheit der Journalisten, schließlich müßten sie arbeits- oder strafrechtliche Konsequenzen fürchten, sollten die sie enttarnen. Deshalb halten Journalisten den Mund. Das gebietet der Pressekodex, das ist Ehrensache. Doch die scheint mancherorts abhandengekommen zu sein.

Ein Beispiel: Julian Reichelt, ehemaliger Chefredakteur der Bild-Zeitung, soll Holger Friedrich, er ist Verleger der Berliner Zeitung, interne Informationen aus seiner Springer-Zeit gesteckt haben. Friedrich hat, nach eigenem Bekunden, darüber Reichelts Ex-Arbeitgeber informiert und somit seinen Informanten preisgegeben. Reichelt klagte auf Unterlassung vor dem Berliner Landgericht. Das veröffentlichte jetzt seinen Beschluß: Der Pressekodex sei rechtlich unverbindlich. Reichelt hätte vielmehr wissen müssen, zumal als Journalist, daß er mit Friedrich eine Geheimhaltungsklausel hätte vereinbaren müssen.

Die Journalistengewerkschaft djv attestiert dem Gericht eine „abenteuerliche Rechtsauffassung“ und prophezeit, „wenn der Beschluß Bestand hat, können wir den Informantenschutz in Deutschland vergessen“. Und da stellt sich die Frage: Informanten informieren gern im eigenen Interesse. Aus welchem Interesse informierte eigentlich Herr Friedrich?