Auf „schallendes Gelächter“ war im Juni 1848 in der Frankfurter Nationalversammlung die Idee gestoßen, den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze der künftigen deutschen Zentralregierung zu stellen. Zur Debatte standen auch kollektive Gremien; durchsetzen konnte sich Parlamentspräsident Heinrich von Gagern mit einem Vorschlag, den er als „kühnen Griff“ bezeichnete. An die Spitze sollte ein Reichsverweser treten, der dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich war, ihm kam die Stellung eines konstitutionellen Monarchen zu. Dieser wiederum sollte verantwortliche Minister ernennen, womit ein parlamentarisches System begründet wurde.
Gagern präsentierte auch sogleich einen Kandidaten: Erzherzog Johann von Österreich, eine anscheinend ideale Lösung. Der Habsburger hatte stets mit der deutschen Einigungsbewegung sympathisiert, dabei aufgrund seiner Herkunft selbstredend großdeutsch gesinnt, er gehörte dem Hochadel an, galt aber auch als liberal und war – erwiesenermaßen – volksverbunden und sozial. Damit war der Erzherzog für alle Seiten akzeptabel. Johanns Wahl in der Nationalversammlung erfolgte am 29. Juni 1848 mit 436 von 548 Stimmen.
Erzherzog Johann galt als liberales Gegenbild zu Fürst Metternich
Am 20. Januar 1782 als Sohn des späteren Kaisers Leopold II. in Florenz geboren, hatte er Deutsch nicht als Muttersprache erlernt. Er erhielt eine militärische Ausbildung. Hervorgehoben wird stets seine Loyalität gegenüber den Kaisern, wobei ihn insbesondere sein älterer Bruder Franz II., der spätere Franz I. von Österreich, wenig zuvorkommend behandelte. Maßgeblich geprägt hinsichtlich politischer Ideen und seiner lebenslang anhaltenden Verbundenheit zur Alpenregion wurde er durch den Schweizer Historiker und Staatsmann Johannes von Müller.
Als militärischer Befehlshaber in den Koalitionskriegen gegen Frankreich agierte er oft glücklos, was ihm nur bedingt anzurechnen ist. So etwa war er als Oberkommandierender in der verlorenen Schlacht bei Hohenlinden im Dezember 1800 gerade einmal 18 Jahre alt, die Führung lag de facto bei seinem Stabschef. Mitunter konnte er aufgrund fehlender Vollmachten nicht zweckdienlich agieren.
Erfolgreicher wirke er als Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens. Angelastet wurde ihm vor allem die schwere Niederlage in der Schlacht bei Wagram im Juli 1809, da sich Johanns Truppen nicht mehr rechtzeitig mit der Hauptarmee vereinigen konnten. Dies führte in der weiteren Folge zum für Österreich verheerenden Frieden von Schönbrunn im Oktober 1809. Als Heerführer kam Johann nicht mehr zum Einsatz. Auch politisch wurde er kaltgestellt, im Ergebnis der sogenannten Alpenbundaffäre von 1812/13. Johann war bereit gewesen, sich an die Spitze einer Erhebung gegen die napoleonische Fremdherrschaft zu stellen, die als Volksaufstand von den Alpenländern ausgehen sollte. Begeistert engagierte er sich; das Ganze war jedoch von Anfang an wenig erfolgversprechend und scheiterte schließlich am Verrat. Außenminister Klemens Wenzel von Metternich, der zu dieser Zeit noch mit Frankreich verbündet war, zerschlug die Verschwörung; Johann wurde unter Hausarrest gestellt. Der Gegensatz zu Metternich sollte dauerhaft bleiben – in der Öffentlichkeit galt der Erzherzog als liberales Gegenbild. Vielsagend ist die verbreitete Legende, er habe im März 1848 persönlich für den Sturz Metternichs gesorgt.
Johann setzte auf den Zusammenschluß der Nation. Besonders bekannt wurde sein Trinkspruch von 1842, anläßlich der Grundsteinlegung zur Fertigstellung des Kölner Doms: „Kein Preußen, kein Österreich! Ein einziges großes Deutschland, fest wie seine Berge.“ In seinem Tagebuch notierte er vier Jahre später: „Ach, die Zeit spricht laut, sie ruft, daß Deutschland kräftig sich einige …“ Über ein offizielles Amt verfügt er lange nicht.
Als Privatmann agierte er auch in der Steiermark. Einst hatte er geäußert: „Will mich mein Kaiser glücklich machen, so gebe er mich als Gouverneur in eine deutsche Provinz, daß ich dort wenigstens etwas Gutes thun könne …“ Diesen Wunsch erfüllte er sich – informell – selbst, bis heute wird der „steirische Prinz“ verehrt. Die durch ihn angestoßenen und vorangetriebenen Maßnahmen sind kaum überschaubar. Statistische Erhebungen dienten als fundierte Grundlage. Mustergüter, Weinbau, Kohlegruben, Eisengewinnung, Eisenbahnbau, soziale Reformen, Mäzenatentum, die Gründung des Joanneums, aus dem mehrere Museen und Bildungseinrichtungen hervorgingen – Johanns Bedeutung für die Entwicklung der Steiermark ist nicht hoch genug einzuschätzen. Volkstümlichkeit und die Heirat mit einer Postmeistertochter trugen zu seiner Popularität bei.
Der Wiener Hof erinnerte sich an Johann, der für dreißig Jahre im politischen Abseits gestanden hatte, erst im Zuge der revolutionären Erhebungen im Frühjahr 1848. Man erhoffte sich von dem beliebten Habsburger eine Beruhigung der Lage, er wurde Stellvertreter des Kaisers. Wenig später erfolgte die Wahl zum Reichsverweser. Die Reise nach Frankfurt wird als Triumphzug bezeichnet, am 11. Juli 1848 traf er ein, am Tag darauf wurde er feierlich ins Amt eingeführt. Am 15. Juli erging ein Aufruf Johanns an das Volk, hier hieß es: „Deutsche! Nach Jahren des Druckes wird Euch die Freiheit voll und unverkürzt. Ihr verdient sie, denn Ihr habt sie muthig und beharrlich erstrebt.“
Enttäuscht über die Entscheidung zur kleindeutschen Lösung
Die Hoffnungen des Reichsverwesers und der Nationalbewegung sollten sich bald zerschlagen. Johanns Befugnisse waren gering, in die Verhandlungen über die neue Reichsverfassung war er nicht einbezogen. Seine Bedächtigkeit und das Streben nach allseitiger Verständigung wirkten hemmend. Enttäuschungen kamen hinzu. So verweigerten die Truppen der größeren deutschen Staaten die Huldigung. Die Erlasse der provisorischen Zentralgewalt wurden von den einzelnen deutschen Regierungen vielfach übergangen, die europäischen Mächte kümmerte der Reichsverweser wenig. Zwar legte der Erzherzog sein Amt erst im Dezember 1849 nieder, gescheitert war er aber spätestens mit der Entscheidung der Nationalversammlung für eine kleindeutsche Lösung. Resigniert erklärte er: „Ich habe gehofft, ein einiges Deutschland gründen zu helfen, jetzt aber haben wir ein zerrissenes.“ Aber selbst die kleindeutsche Einheit wurde damals nicht vollzogen. Dies sollte erst 1871 durch Bismarck gelingen.
Der Abgeordnete Robert Blum urteilte über Johann, dieser sei im „Privatverkehr“ ein „achtenswerter und liebenswürdiger Mensch“, der aber „eben nur ins Haus taugt, nicht ins politische Leben“. Am 11. Mai 1859 ist Erzherzog Johann in Graz, der Hauptstadt „seiner“ Steiermark, gestorben.