Der Film beginnt mit einer Notsituation, wie sie durch das jüngste Tauchunglück am Wrack der Titanic traurige Aktualität bekommen hat: In der Beringsee hat die Sewastopol, ein russisches Unterseeboot, das mit einer neuartigen Tarnkappen-Technologie ausgerüstet ist, unerwartet Feindberührung. In Bedrängnis geraten, feuert die Besatzung einen Torpedo ab, doch dieser wendet sich – man nennt das wohl eine tragische Wendung des Schicksals – gegen die Sewastopol selbst. Die Katastrophe, die sich hierauf ereignet, steht in engem Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz, die das U-Boot zum letzten Schrei der russischen Marine machen sollte.
Vor einem Jahr sorgte Hollywood-Star Tom Cruise mit der Fortsetzung des Fliegerdramas „Top Gun“ für Furore (JF 22/22). Jetzt soll der 61jährige wieder die Kinokassen zum Klingeln bringen, und zwar mit der siebten Episode der Agentenkrimireihe um die Impossible Mission Force (IMF). Ursprünglich war das eine Fernsehserie aus den sechziger Jahren, die unter dem Titel „Kobra, übernehmen Sie“ ab 1967 im deutschen Fernsehen lief und von Bruce Geller konzipiert wurde. Aus der TV-Serie stammt auch die berühmte Titelmelodie von Lalo Schifrin.
Das Hitchcocksche McGuffin, hinter dem alle her sind, ist diesmal ein zweiteiliger Schlüssel in Form eines christlichen Kreuzes. Er ist nicht mehr und nicht weniger als der Schlüssel zur Weltherrschaft, denn die künstliche Intelligenz, zu der er die Tür öffnet, ist so intelligent, daß es intelligenter und damit gefährlicher einfach nicht mehr geht. Wer den Schlüssel hat, hat die totale globale Kontrolle. Das bringt Ilsa Faust (Rebecca Ferguson), bekannt aus den vorigen beiden Filmen der „Mission: Impossible“-Reihe, „Rogue Nation“ (2015) und „Fallout“ (2018), in der arabischen Wüste in tödliche Gefahr, aus der Ethan Hunt (Tom Cruise) sie mit beherztem Einsatz gerade noch befreien kann. Wer wann genau eine der Schlüsselhälften in der Tasche hat und welche es ist, das kann man bei dem turbulenten Gerenne, Gerase und Geturne in Abu Dhabi, Rom und Venedig, den nächsten Stationen der Hetzjagd, schon mal aus dem Blick verlieren, wenn man nicht aufpaßt wie ein Schießhund. Jedenfalls kommen mit der Trickdiebin Grace (Hayley Atwell), der „weißen Witwe“ (Vanessa Kirby), dem Oberschurken Gabriel (Esai Morales) und natürlich der CIA, die das Oberkommando über die IMF hat, weitere Figuren ins Spiel, die dafür sorgen sollen, daß dem Drehbuch nicht die Puste ausgeht.
Das hängt in der Mitte aber trotzdem ein wenig durch. Zu oft hat man Ethan Hunt & Co. bereits mit Karacho durch Innenstädte düsen sehen, in denen allerhand zu Bruch geht, als daß dieses einem den Adrenalinpegel noch nennenswert nach oben schießen lassen könnte. Nachdem Grace infolge der verstörenden Vorfälle in Rom und Venedig begriffen hat, welch universelle Menschheitsgefahr von dem Schlüssel ausgeht, wechselt sie ins Lager der IMF und erklärt sich sogar bereit, in eine extrem gewagte Verkleidung zu schlüpfen, um den Gegner zu düpieren. Zwischendurch darf Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise durch messianische Mottos wie „Dein Leben wird mir immer wichtiger sein als mein eigenes“ am eigenen Status als Legendenheiliger feilen.
Daß „Mission: Impossible – Dead Reckoning I“ auf beklemmende Weise das Thema künstliche Intelligenz in den Vordergrund der Handlung rückt, macht den Action-Knüller zum Film mit – wenn auch begrenztem – sittlichem Nährwert. Klar, die universelle Digitalisierung und die Kontrolle über ganze Bevölkerungen, die sie ermöglicht, dienen nur „zum Wohle der Menschheit“. Das werden Globalisten aus der EU und der Tech-Branche nicht müde den Bürgern weiszumachen. Auch im Film ist diese Verheißung zu hören. Doch Ethan Hunt und seine allzeit aufmerksamen IMF-Mitstreiter Benji (Simon Pegg) und Luther (Ving Rhames) lassen sich so leicht kein X für ein U vormachen.
Für ästhetische Höhenflüge sorgt vor allem Tom Cruise selbst, der viele der halsbrecherischen Aktionen vor laufender Kamera ohne Doppelgänger durchzuführen pflegt. Der Darsteller war bereits vor dem Filmstart mit einem waghalsigen Hochgeschwindigkeits-Gleitschirmflug auf Youtube zu bewundern. Ethan Hunts Sturzflug mit Motorrad ist einer der visuellen Höhepunkte des furiosen Finales, das den etwas lahmen Mittelteil, bei dem sich Cruise und sein Regisseur Christopher McQuarrie ein bißchen zu sehr auf Altbewährtes verlassen, vergessen läßt. Wie im vor zwei Wochen in den Kinos angelaufenen neuen „Indiana Jones“-Film (JF 27/23) – dort war es gleich zum Auftakt – kommt es zum entscheidenden Kräftemessen auf einem fahrenden Zug.
Natürlich erwartet der Zuschauer von der allerneuesten Tom-Cruise-Produktion nicht mehr und nicht weniger als Superlative und am liebsten etwas, das man so noch nie gesehen hat. Diesem Anspruch kommt die letzte halbe Stunde zumindest sehr nah. Befürchtungen, der Film werde wie zuletzt der Nummer-eins-Kinohit „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ auf dem Höhepunkt des Schlamassels abrupt enden und alle Zuschauer ratlos zurücklassen, seien hiermit auch entkräftet. Am Ende von „Mission: Impossible – Dead Reckoning I“ ist einmal mehr eine eigentlich unmögliche Mission definitiv erfüllt: alten Wein überaus bekömmlich in neuen Schläuchen zu verabreichen.
Auf den nahtlos anknüpfenden achten Teil müssen die Fans der Reihe dann bis zum nächsten Jahr warten. Er soll am 27. Juni 2024 in die deutschen Kinos kommen.