© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/23 / 14. Juli 2023

Die „Schnauze voll“ vom Maut-Hammer
Verkehrspolitik: Die Straßengebühr für Lkw soll sich ab Dezember nahezu verdoppeln / Höhere CO2-Abgabe ab 2024
Paul Leonhard

Noch sind Handwerksbetriebe von der neuen Maut ausgenommen. Aber es dürfte eine Gnadenfrist sein, denn in ihrem Wahn, den deutschen Wirtschaftsmotor ins Stottern zu bringen oder ganz abzuwürgen, läßt sich die regierende Ampel wohl nur noch vom Wähler stoppen. Aktuell geht es den Speditionen an den Kragen. Die Straßengebühr für Diesel-Lkw wird mit dem 1. Dezember fast verdoppelt. Ursache ist ein CO2-Aufschlag von 200 Euro pro Tonne, dem die Bundesregierung zugestimmt hat und was der weltweit höchste CO2-Preis ist.

Fordert Reinhard Zirpel, Präsident des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), daß „Nutzfahrzeuge mit besonders sparsamen Diesel- oder Gasmotoren von der CO2-Maut stärker begünstigt werden sollten“, so hat die Regierung gerade beschlossen, daß zum 1. Januar 2024 die Mautbefreiung für gasbetriebene Fahrzeuge ersatzlos entfällt. Und zum 1. Juli 2024 wird die Maut auf Transporter und leichte Lastkraftwagen ab 3,5 Tonnen ausgeweitet – so dies zu diesem Zeitpunkt bereits technisch machbar ist.

Die zusätzlichen Mauteinnahmen, nach Berechnungen von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) immerhin 30 Milliarden Euro bis 2027, sollen „ganz überwiegend“ in die Ertüchtigung des Schienennetzes investiert werden. Natürlich ist das aus Sicht des Liberalen weder Schikane oder Handelshemmnis, sondern „ein starker Anreiz für die Branche, auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen“. Schließlich werde die Lkw-Maut damit stärker nach dem CO2-Ausstoß gestaffelt. Allerdings bleiben selbst Null-Emissions-Lkw lediglich bis Ende 2025 von der Gebühr befreit. Aber auch diese müssen danach 75 Prozent des Mautteilsatzes für Infrastruktur und die vollen Teilsätze für Lärm und Luftverschmutzung zahlen.

Der von der Regierung abgenickte „Maut-Hammer“ ist Teil eines Deals innerhalb der Ampel-Koalition. Um drohende Fahrverbote zu vermeiden, mußten wir bei der Maut in den sauren Apfel beißen“, sagte FDP-Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer auf der Jahresmitgliederversammlung des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV). Die Maut sei nötig gewesen, um die Grünen für die Einbeziehung der Autobahnen bei der Planungsbeschleunigung sowie für das Aufweichen der strengen Sektorziele im Klimaschutzgesetz zu gewinnen.

Angesichts der Tatsache, daß Lkw-Fahrer jeden Abend verzweifelt nach freien Stellplätzen entlang der maroden deutschen Autobahnen suchen und sich gegen eine Billigkonkurrenz aus Osteuropa mit meist schrottreifen Lastwagen behaupten müssen, „fragt man sich, ob Teile der Koalition überhaupt verstanden haben, wer Deutschland bewegt“, so Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Aus dessen Sicht ist die beschlossene Verdoppelung der Lkw-Maut ab 2024 „politisches Harakiri“: Habeck und Co. sollten sich überlegen, ob sie sich ihre Rhabarber-Schorle künftig nicht besser mit der Bahn vor die Haustür liefern lassen.

„Zum Umstieg auf alternative Verkehrsträger animieren“

Engelhardt macht zudem darauf aufmerksam, daß „ohne am Markt verfügbare Alternativen zum Diesel-Lkw und ohne Ladeinfrastruktur jedwede Lenkungswirkung zugunsten des Klimaschutzes“ fehle. Ohne Ladeinfrastruktur sei ein Fernverkehr mit E-Lkw einfach nicht möglich. Aktuell sind 98 Prozent der deutschen Lastwagen mit Dieselmotoren ausgestattet. „Zum Wesen der Lkw-Maut gehört es, daß sie zum Umstieg auf alternative Verkehrsträger beziehungsweise auf CO2-freie Antriebe animieren, also eine Lenkungswirkung entfalten soll“, so Oliver Luksic (FDP), Staatssekretär im Verkehrsministerium, gegenüber Trans aktuell. „Unser Haus hat eine neue Verkehrsprognose vorgestellt, die eine sehr starke Zunahme des Güterverkehrs um 46 Prozent bis 2051 vorhersagt.“

Die Branche könnte das Gesetz stoppen, indem sie analog dem Protesttag der Apotheker auf ihre Probleme aufmerksam macht, wie Harry Seifert, Eigner der Seifert Group, es fordert, oder indem es die Volksvertreter sensibilisiert. Denn über den Gesetzentwurf wird erst im Oktober abgestimmt. Aber hier bremst selbst DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. In Fundamentalopposition zu gehen und das Gesetz gezielt auszubremsen wäre falsch und erschwere lediglich die anstehenden Gespräche mit den Kunden über ein Weiterreichen der Kosten. Huster kündigte an, daß man aus den Landesverbänden heraus und vielleicht im Schulterschluß mit anderen Gewerbevertretern die Bundestagsabgeordneten vor Ort in „einer Art konzertierten Aktion“ noch einmal sensibilisieren wolle.

Lassen die sich nicht umstimmen, ist die Existenz vieler Mittelständler bedroht. Er sei sich sicher, daß „es den Transport- und Logistikdienstleistern mehrheitlich nicht gelingen wird, die zusätzlichen Kosten komplett weiterzureichen“, so Jörg Mosolf, Chef des Logistikers Mosolf aus Kirchheim unter Teck mit 3.500 Mitarbeitern an 38 Standorten und rund 1.000 eigenen Lkws: „Wir als große Firma werden es überleben, doch wir können kein Interesse daran haben, daß der Mittelstand kaputt gemacht wird.“ Eine Argumentation, der das Verkehrsministerium widerspricht: „Die Mautkosten machen nur einen geringen Anteil der Transportkosten und somit einen noch geringeren Teil der Gesamtkosten aus.“ Das Ministerium beziffert den Anteil der Maut auf 0,1 Prozentpunkte. Deswegen werde die Mauterhöhung auf die Verbraucherpreise kaum spürbare Auswirkungen haben. Die Maut mache bei Teil- und Komplettladungen elf Prozent der Gesamtkosten aus, sagt dagegen Micha Lege, Chef des Speditionsverbandes Baden-Württemberg.

Obwohl die CO2-Maut für ihn eine Verdopplung der Mautkosten von aktuell rund neun Millionen Euro bedeutet, will Mosolf seinen Transportpartnern diese Mehrkosten erstatten. Der Rostocker Stephan Gustke, Chef des 1933 gegründeten Familienunternehmens Spedition Heinrich Gustke mit 210 Mitarbeitern, wird dagegen den Öko-Zuschlag, den er für seine 120 Lastwagen zahlen soll, auf die Kunden umlegen. Natürlich weiß er, daß so die Inflation weiter steigen wird. Die Stimmung in der Branche beschreibt er in der Ostsee-Zeitung so: „Wir haben die Schnauze voll.“

Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik:

 www.bgl-ev.de