Über Bitcoin streiten sich nicht nur die Geister, sondern auch die Experten. Jamie Dimon, Chef von JPMorgan Chase, bezeichnete die Kryptowährung 2017 als „Betrug“. Blackrock-Chef Larry Fink sah darin ein Vehikel für Geldwäsche – inzwischen ist Bitcoin für ihn „digitalisiertes Gold“ und ein „international anerkannter Vermögenswert.“ Hinter Finks Sinneswandel stehen handfeste wirtschaftliche Interessen: Blackrock will einen börsennotierten Fonds mit Bitcoin auflegen und hat dafür einen Antrag bei der US-Wertpapieraufsicht SEC eingereicht. Der Londoner Konkurrent Fidelity und fünf weitere Anbieter reichten kurz danach ebenfalls Anträge für solche ETFs ein.
Die beiden Fondshäuser sind nicht die ersten, die einen Bitcoin-ETF in den USA auflegen wollten. Bisher scheiterten alle an der SEC, die Kursmanipulationen bei Bitcoin befürchtet, weil die Kryptowährung nicht an einer zugelassenen Börse gehandelt wird. Das Argument ist hanebüchen, denn ein Futures-Kontrakt, also ein Derivat, dessen Wert vom Bitcoinkurs abhängt, wurde schon vor Jahren zum Börsenhandel zugelassen. Inzwischen gibt es sogar zugelassene ETFs, die nur in diesen Futures-Kontrakt investieren. Außerdem hat die SEC mehrere geschlossene Fonds auf Bitcoin und andere Kryptowährungen zugelassen. Einer davon, der 19 Milliarden Dollar schwere Grayscale Bitcoin Trust (GBTC), versucht schon länger die Umwandlung von einem geschlossenen in einen offenen Fonds. Die SEC blockiert, Grayscale prozessiert dagegen.
Die SEC ist nicht zu beneiden, denn sie wandert auf einem schmalen Grat zwischen einem aggressiven Anti-Bitcoin-Lager, das sich auf politische Unterstützung progressiver Demokraten unter Führung von Senatorin Elisabeth Warren stützt, und einer lautstarken, parteiübergreifenden Pro-Bitcoin-Lobby. Neben den politischen Wirrungen schwitzen die Juristen auch über Definitionen. Die Gretchenfrage für die SEC ist, worum es sich bei Kryptowährungen handelt. Bei Bitcoin sind die Juristen der Ansicht, daß es wie ein Rohstoff oder eine Währung reguliert werden muß. Andere Kryptowährungen hingegen seien Wertpapiere. Der Knackpunkt dabei: für Wertpapiere gilt Prospekthaftung, für Rohstoffe hingegen nicht. In den Klagen gegen die Kryptoanbieter Binance und Coinbase vor wenigen Wochen hatte die SEC diesen Standpunkt bereits vertreten, der ignoriert, daß sich Kryptowährungen nur in technischen Einzelheiten unterscheiden.
Eigentlich wäre es am Gesetzgeber, ein Machtwort zu sprechen. Doch der US-Kongreß zeigt kein Interesse an Krypto-Regulierung. Die Gerichte werden also entscheiden, welche unpassenden Gesetze auf Kryptos zurechtgebogen werden dürfen. Ob das wohl gutgeht? Schon warnt die Softwarebranche, unbedarfte Programmierer könnten künftig zu Straftätern werden, wenn sie in ihren Programmen Algorithmen einsetzen, die von der SEC als Wertpapier eingestuft werden. Bitcoin-Fans zeigen sich von den juristischen Stolpersteinen jedenfalls unbeeindruckt und versichern sich gegenseitig, daß Blackrock die Zulassung des ETFs schon hinkriegen wird. Der Kurs der Kryptowährung stieg wieder über 30.000 Dollar in der Hoffnung, daß ein ETF die Nachfrage steigern würde. Wer auf die baldige Zulassung von Bitcoin-ETFs hofft, sollte auf den Grayscale-Fonds setzen. Dessen Abschlag von 27 Prozent gegenüber dem Wert seiner Bitcoins würde bei Umwandlung in einen ETF verschwinden.