© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/23 / 14. Juli 2023

Ländersache: Bremen
Kleines Land, große Ziele
Paul Leonhard

Das fängt ja gut an: Sozialdemokrat Andreas Bovenschulte steht wieder an der Spitze einer rot-grün-roten Regierung, aber darüber können sich viele Genossen in Bremerhaven nicht freuen. Denn der Regierungschef hat das traditionell von Bremerhaven aus geführte Häfen-Ressort der Linken-Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt übertragen. Sie hat in den vergangenen Jahren bewiesen, daß auch so mancher eingehegte Sozialist Marktwirtschaft kann.

Das Bremerhavener SPD-Urgestein Uwe Beckmeyer ist dennoch verärgert. Die Linkspartei habe sich bisher „nicht unbedingt so hervorgetan, als seien sie die großen Retter oder Förderer der Häfen“, sagte er beim Parteitag in Bremerhaven. Von einer politisch falschen Entscheidung spricht auch Bremerhavens SPD-Chef Martin Günthner.

Die andere Personalentscheidung, die unter den Genossen für Zoff sorgt, betrifft das Thema Verkehr. Dafür, sowie für Bau- und Stadtentwicklung, wird künftig Özlem Ünsal (SPD) als Senatorin zuständig sein.

Sie war bis 2022 Landtagsabgeordnete und Fraktionssprecherin für Wohnungsbau und Stadtentwicklung in Schleswig-Holstein. Dann verpaßte sie den erneuten Einzug ins Parlament, um nun Senatorin zu werden. Sie kenne Bremen nicht, habe aber die „notwendigen Fachkenntnisse“ und sei ihm empfohlen worden, bürstete Bovenschulte auch hier die Kritik ab. Er habe nach einer Frau gesucht, um die Parität einhalten zu können.

Nach der Absage an eine mögliche Koalition mit der CDU hatte Bovenschulte dem Wählerwillen zumindest insoweit folgen müssen, als daß er den Grünen das Verkehrsressort wegnahm. Denn deren Ziel einer autofreien Innenstadt hatte die Bürger so aufgebracht, daß die Grünen die Wahl verloren. „Es hätte niemand verstanden, wenn es keine Veränderung in diesem Bereich gegeben hätte“, sagte Bovenschulte.

Die Veränderung ist lediglich personell. „Der Verkehrsentwicklungsplan und das Klimaschutzkonzept Bremens werden durch den Koalitionsvertrag nicht in Frage gestellt“, betont Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin der Grünen. Es werde keine Abkehr von einer autofreien Innenstadt bis 2030 geben.

In dem 169 Seiten umfassenden Papier, das CDU-Oppositionsführer Frank Imhoff als „Wunschzettel“ verspottet, will die Regierung „alle Schritte unternehmen, damit Bremen bis 2038 klimaneutral wird“. Die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, die Verkehrs- und Wärmewende sowie die Klima-Transformation der Wirtschaft will sich das Bundesland 2,5 Milliarden Euro kosten lassen. Dazu kommen weitere Projekte.

Das umzusetzen wird auch Aufgabe der bisher ämterfreien Kathrin Moosdorf (Grüne) sein, die zur Senatorin für Klima, Umwelt und Wissenschaft gewählt wurde. Allerdings stehe all das, wie das meiste im Koalitionsvertrag, unter Finanzierungsvorbehalt. Denn Bremen müßte einen Kredit aufnehmen. Damit ist unklar, ob die Regierung ihr wichtigstes Bildungsziel erreicht: daß alle Kinder sicher Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und mehr Schüler einen Abschluß schaffen.