© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/23 / 14. Juli 2023

Teures Inferno
Waldbrände: Seine Hilfe aus der Luft gegen die Flammen läßt sich der Bund bezahlen – viele Kommunen stöhnen unter den zusätzlichen Kosten / Erstmals Löschflugzeuge aus dem europäischen Katastrophenschutz im Einsatz
Christian Vollradt

Sommerzeit, Waldbrandzeit. Auch wenn zuletzt eher Unwetter mit Gewitter und hohen Mengen an Niederschlag für Schlagzeilen sorgten, gibt es in Deutschlands Forsten keine Entwarnung. Das liegt auch daran, daß bereits zu Beginn der wärmsten Jahreszeit mehrere größere Brände – etwa in Brandenburg oder in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen – die Feuerwehren vor Ort auf Trab hielten.

Einer der spektakulärsten jüngsten Waldbrände war der im brandenburgischen Jüterbog (JF 24/23), wo im Juni zwei Wochen lang eine Fläche von rund 733 Hektar in Flammen stand. Erschwerend hinzu kam, daß das Gebiet als früherer sowjetischer Truppenübungsplatz stark munitionsverseucht ist. Niedersachsens Zentrale für die Waldbrandüberwachung mit Sitz in Lüneburg zählte seit Jahresbeginn schon 140 Waldbrände, allein 21 waren es in der ersten Woche des vergangenen Monats. 

Für viele Kommunen kommt das dicke 

Ende allerdings erst dann, wenn sich die gewaltigen Rauchsäulen schon verzogen haben und die letzten Glutnester gelöscht sind. Denn dann 

geht’s ums Bezahlen. Allein die Löscharbeiten beim Großbrand im September 2022 am Brocken, dem höchsten Berg Norddeutschlands, kostete den betroffenen Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt mindestens über drei Millionen Euro. Acht Hubschrauber mit Löschwasser-Außenlastbehältern waren im Einsatz, außerdem mehrere Löschflugzeuge aus 

Italien. Einen Teil des Geldes versucht der Landkreis vom Land erstattet zu bekommen. Auch Jüterbogs Landrätin Kornelia Wehlan (Linkspartei) fordert, Brandenburg solle die Einsatzkosten übernehmen. „Waldbrandbekämpfung darf keine Kostenfrage sein. Es geht um Gut, um Naturraum und vor allem um Menschen“, sagte sie dem Sender RBB. 

Zu Buche schlägt neben der tagelang beanspruchten Ausrüstung beispielsweise auch die Verpflegung der zahlreich eingesetzten freiwilligen Helfer. Doch vor allem die Löscheinsätze aus der Luft, die im Rahmen der Amtshilfe etwa mit den großen Super-Puma-Hubschraubern der Bundespolizei oder den Bundeswehr-Transporthubschraubern vom Typ Sikorsky CH-53 geleistet werden, kosten viel Geld – das sich der Bund in aller Regel erstatten läßt. Nur in Ausnahmefällen verzichte man auf eine Kostenerstattung, teilte etwa ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mit. Im Schnitt kostet eine Maschine der Bundeswehr 32.000 Euro pro Stunde, eine der Bundespolizei 16.000 Euro.

„Stärker als bisher für diese Gefahren wappnen“

Da deren Fliegerstaffel im Sommer vergangenen Jahres sehr intensiv zur Waldbrandbekämpfung eingesetzt wurde und insgesamt mit einer steigenden Zahl solcher Fälle gerechnet wird, schafft die Bundesregierung neue Hubschrauber für die Bundespolizei an, die mehr Wasser tragen, um zielgenau löschen zu können. Zudem gibt es dieses Jahr eine Premiere: Seit knapp vier Wochen stehen zwei Löschflugzeuge für den Ernstfall bereit, die über das europäische Katastrophenschutzprogramm Resc-EU gechartert werden. Sie stehen bis Oktober im Bedarfsfall deutschland-, aber auch europaweit zur Verfügung. Stationiert sind die beiden Maschinen einer spanischen Firma vom Typ Air Tractor AT-802 am Flughafen Braunschweig-Waggum in Niedersachsen. Die Crew – Piloten und Mechaniker – kommt aus Argentinien, unterstützt wird sie von ortskundigen Kollegen. 

Die Gesamtkosten der Anmietung dieser Flugzeuge werden für das laufende Jahr auf etwa 2,4 Millionen Euro beziffert. Drei Viertel der Summe übernimmt die EU, den Rest teilen sich jeweils zur Hälfte der Bund und das Land. Niedersachsen ist damit bisher das einzige Bundesland, in dem Maschinen der Resc-EU-Flotte stationiert sind. Für den Standort Braunschweig sprachen unter anderem die gute Infrastruktur vor Ort, aber auch die Nähe zu potentiellen Großbrandgebieten im Harz oder in der Heide. Die Flugplätze Leer-Papenburg in Ostfriesland sowie der Flugplatz Faßberg stehen als Zweit-Basen zur Verfügung.

Für deutsche Verhältnisse erstaunlich, daß die Bereitstellung dieser Löschflugzeuge innerhalb so kurzer Zeit von einer „Saison“ auf die andere ohne weitere bürokratische Hindernisse geklappt hat. „Mehr als vorbildlich“ nannte das Ganze deswegen auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die gemeinsam mit ihrer niedersächsischen Amtskollegin Daniela Behrens (beide SPD) Flugzeuge und Besatzungen persönlich in Augenschein genommen hatte. „Wir müssen uns für diese Gefahren viel stärker wappnen als das in der Vergangenheit der Fall war“, meinte Faeser vor Ort und kündigte an, das Modell mit den gemieteten und dann von Sommer bis Herbst in Braunschweig stationierten Löschflugzeugen auch im kommenden Jahr fortführen zu wollen.

Die stehen nun sieben Tagen die Woche von 10 Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang in Alarmbereitschaft. Innerhalb einer halben Stunde können die bis zu 340 Stundenkilometer schnellen Maschinen beispielsweise am Brocken im Harz sein. Wie der Firmenname Air Tractor nahelegt, ist der Ende der achtziger Jahre entwickelte Tiefdecker ursprünglich als Agrarflugzeug konzipiert und auch am häufigsten so eingesetzt worden. Mittlerweile sind viele Maschinen als kleinere Löschflugzeuge weltweit im Dienst. Der von einem Propeller angetriebene, knapp 11 Meter lange Flieger kann 3.000 Liter Löschwasser aufnehmen, das Befüllen der Wassertanks per Hydrant ist in weniger als zwei Minuten absolviert. 

Bei einer Entfernung von 50 Kilometern 

zwischen Flugplatz und Einsatzort sei es möglich, die Maschinen bis zu viermal innerhalb einer Stunde zu befüllen. So könnten beide Flugzeuge zusammen 24.000 Liter Wasser auf die brennende Fläche abgeben. Die Brandbekämpfer am Boden erhoffen sich dadurch eine erhebliche Unterstützung. Einziger Haken: Da das Resc-EU-Katastrophenschutzprogramm europaweit gilt, könnte es im Falle eines gleichzeitigen Brandes irgendwo im EU-Ausland dazu kommen, daß die Löschflugzeuge anderswo eingesetzt werden.  Welcher Einsatz dann Priorität habe, werde „in Abstimmung mit dem internationalen Lagezentrum in Brüssel“ entschieden, versicherte Niedersachsens Innenministerin.

Ob der Bund oder das Land Niedersachsen irgendwann eigene Löschflugzeuge anschaffen werden, erscheint ungewiß, da die Maschinen im Winterhalbjahr nicht benötigt würden und dann ein Kostenfaktor seien. „Wir müssen effektiv mit Steuermitteln umgehen“, betonte Behrens. Der Landkreis Harz im benachbarten Sachsen-Anhalt hatte in der Vergangenheit schon einmal einen Vertrag mit einer polnischen Charterfirma geschlossen. Das kostete laut Medienberichten 150.000 Euro pro Saison.