© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/23 / 07. Juli 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Jasper von Altenbockums Kommentar zum AfD-Erfolg in Sonneberg (in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. Juni) endet mit einer Warnung vor Wählerschelte: „Sonst entsteht irgendwann der Eindruck, daß in Deutschland sich nur diejenigen für wahre Demokraten halten, die sich ein neues Volk suchen, weil ihnen das alte nicht mehr gefällt.“ Aber genau diese Suche ist längst im Gange. Wie soll man die Förderung von Ersatzproletariaten und Diversität oder die Umerziehung der „Urdeutschen“ anders deuten, die man sacht darauf vorbereitet, zur Minderheit im eigenen Land zu werden, nicht zu reden von der Konstruktion jener Meinungsdelikte, denen zufolge Verfassungsfeind ist, wer nicht nur eine ethnisch-kulturelle Identität des deutschen Volkes behauptet, sondern sie auch für eine verteidigenswerte Größe hält?

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Die Gereiztheit, mit der in Deutschland auf das Tragen von Uniformen reagiert wird, hat nichts mit den Inhalten der Rede von Claudia Pechstein zu tun und wenig mit der Überkompensation der Militärseligkeit früherer Zeiten, aber viel mit den linken Affekten, die regelmäßig bedient sein wollen. Was die Sache nicht besser macht. Als kleine persönliche Bilanz mag die Reihe folgender Beispiele dienen: da war der junge Leutnant, dem der progressive Pastor das Heiraten im Waffenrock erst gestattete, nachdem er erklärt hatte, daß das junge Paar angesichts der Hausstandsgründung kein Geld für einen teuren Anzug übrig habe und sonst auf die kirchliche Trauung verzichten werde; da waren die zur Fortbildung gemeinsam mit Lehrern abkommandierten Offiziere, die es genau einen Abend aushielten, wie befohlen im Uniformhemd teilzunehmen, bevor sie angesichts des kollektiven „Schneidens“ Zivil anlegten; da war der Polizist, der seinen Berufsstand in der Schule lieber in lockerer Freizeitkleidung vorstellen wollte, der Pfadfinderführer, der auf dem Kirchentag Essen austeilte und Ordnerdienst versah und sich für seine Kluft von friedensbewegten und sonstigen Besuchern anpöbeln lassen mußte und zum Trost von einem der Verantwortlichen hörte, er und seine Kameraden sähen ja auch aus „wie HJ“. Und da waren die Wölflinge, deren letzte Prüfungsaufgabe darin bestand, zum Ludwigstein – der Gralsburg der deutschen Jugendbewegung – zu wandern und die dann vor dem Betreten des Innenhofs das Fahrtenhemd auszuziehen hatten, weil das möglicherweise ein Hinweis auf faschistische Gesinnung war.

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Am 18. Juni ging das diesjährige „Hellfest“ – eine Black-Metal-Veranstaltung – im französischen La Baule zu Ende. Einen Tag zuvor hatte Christelle Morançais, Präsidentin der Region Pays de la Loire, auf Twitter ein Bild gepostet, das sie neben Franck Louvrier, Bürgermeister von La Baule und zweiter Vizepräsident des Regionalrats, sowie den Veranstaltern lächelnd mit der „mano cornuta“, dem „Satanistengruß“, zeigte. In der Öffentlichkeit erregte der Vorgang kaum Aufsehen. Anders als in der Vergangenheit, nachdem bekanntgeworden war, daß von einigen Gruppen während des „Hellfests“ blasphemische Äußerungen gebrüllt oder Parolen ausgegeben wurden, wie die, „auf Christus zu pissen und Priester zu töten“. Das hatte prompt die Streichung staatlicher Subventionen zur Folge. Jetzt nimmt offenbar niemand Anstoß daran, daß die Region 19.000 Euro für eine Veranstaltung ausgibt, bei der eine überdimensionale Statue Baphomets neben der Bühne steht und ein „Heiligtum“ des Teufels errichtet wurde. Vielleicht auch deshalb, weil das alles nur ein Anfang gewesen sein könnte. Denn es gibt Pläne für die Schaffung einer zehn Meter hohen Figur der „Wächterin der Verdammten“, die man bei dem für 2025 geplanten „Hellfest“ nahe der Gemeinde Clisson in Auftrag geben will. Die Veranstalter erhoffen für deren Anfertigung und die Durchführung selbst Subventionen in Höhe von sieben Millionen Euro aus Steuermitteln, von denen knapp die Hälfte schon bewilligt sein soll.

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Ausgeträumt: In Hamtramck, einer Kleinstadt mit knapp 30.000 Einwohnern nahe Detroit, hat der Rat eine Verfügung erlassen, die das Zeigen der Regenbogenfahne der LGBQT*-Bewegung verbietet. Die Ursache dafür ist unschwer auszumachen: Seit 2015 besteht das Gremium nur noch aus männlichen Moslems, seit 2022 hat die Stadt außerdem mit Amer Ghalib den ersten muslimischen Bürgermeister einer amerikanischen Kommune. Im ersten wie im zweiten Fall wurde der Vorgang von den Repräsentanten der Demokratischen Partei als entscheidender Schritt auf dem Weg in die multikulturelle Zukunft gefeiert. Und tatsächlich spiegelt sich in den Wahlergebnissen die Verschiebung der ethnischen Mehrheitsverhältnisse, weg von der weißen Dominanz, hin zu einer „bunten“ Struktur. Heute sind zwischen 30 und 38 Prozent der Einwohner Hamtramcks jemenitischer Herkunft, weitere 24 Prozent stammen aus Bangladesch. Nach der Wahl Ghalibs hatte seine Vorgängerin Karen Majewski noch geäußert, daß die Stadt „ein Beispiel für den amerikanischen Traum, im Kleinen wie im Großen“ sei, jetzt erklärte sie an die muslimische Mehrheit gewandt: „Es gibt ein Gefühl des Verrats. Wir haben euch unterstützt, als ihr bedroht wurdet, und jetzt werden unsere Rechte bedroht, und ihr seid es, die sie bedrohen.“


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 21. Juli in der JF-Ausgabe 30-31/23.