© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/23 / 07. Juli 2023

Weder Kryptowährung noch echter Bargeldersatz
Geldpolitik: EU-Kommission will digitalen Euro / Großer Schritt in die technologische Zukunft oder der Weg zum totalen Überwachungsstaat?
Dirk Meyer

Für die einen ist es die Zukunft des Bezahlens, für die anderen Hexenwerk und überwachtes Kryptogeld: Am 28. Juni präsentierte die EU-Kommission ihren „Verordnungsentwurf über die Einführung des digitalen Euro“. Der „eEuro“ werde „neue Möglichkeiten für schnellere, sicherere und innovativere Zahlungen eröffnen“, erklärte Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton. Ähnlich wie Bargeld würde der eEuro von der EZB herausgegeben. Dieses insolvenzsichere Zentralbankgeld unterscheidet sich vom Kreditgeld, welches die Geschäftsbanken eigenständig schaffen und per Girokonto bereitstellen. Damit die „private Gelddruckerei“ nicht ausufert, benötigen die Geldinstitute hierfür selbst Zentralbankguthaben (Mindestreserve), mit der die EZB neben dem Leitzins die Geldversorgung steuern kann.

Der eEuro ist also ein konkurrierendes Geldmittel. Auch deshalb hält der Sparkassenverband DSGV das zusätzliche Zahlungssystem für „überflüssig“. Denn der eEuro ist als eine elektronische Geldbörse (Wallet) geplant, die von einer Geschäftsbank verwahrt würde. Insofern erfüllen die Geldkarte oder die Smartphone-App die gleichen Funktionen. Darum plädiert der DSGV zunächst für eine digitale Zentralbankwährung (CBDC), die die derzeit sichere Blockchain-Technologie nutzt und nur der Abwicklung von Transaktionen zwischen Banken dienen würde, also nicht im allgemeinen Zahlungsverkehr. Verwendung findet.

Die EU-Kommission begründet den eEuro mit jenen Bürgern, denen ein eigenes Konto verwehrt würde (Mittellose, Flüchtlinge). Doch gemäß der EU-Zahlungskontenrichtlinie sind die Banken zur Einrichtung eines solchen bereits verpflichtet. Als Begründung taugt eher, die technologische Anschlußfähigkeit des Euro als Reservewährung (Anteil derzeit 20,5 Prozent) nicht zu verpassen. So sind laut Internationalem Währungsfonds derzeit 155 Länder dabei, eine Digitalwährung vorzubereiten. Dies würde auch die „strategische Autonomie Europas“ (EZB-Direktor Fabio Panetta) stärken und eine Alternative gegenüber potentiell unsicheren privaten Kryptowährungen bieten.

Neuartige Zahlungsdatenbanken ermöglichen „gläsernen Bürger“

Zunächst soll für den eEuro eine Obergrenze von 3.000 Euro gelten. Hintergrund ist zum einen die Umstellung für Banken. Aufgrund der Ausfallsicherheit ist der eEuro sicherer als das Geld auf dem Girokonto. Entweder müßten die Banken dieses zukünftig höher verzinsen oder die Einlagen würden in die eEuro-Geldbörse verschoben. Im Extremfall käme es gerade in der Einführungsphase zu einem Bank Run, denn ohne diese Obergrenze könnten die Geschäftsbanken für die Kundeneinlagen nicht in dem erforderlichen Umfang Zentralbankgeld bereitstellen. Der andere Grund ist die Ausnahme von den sonst geltenden Geldwäscheregeln für digitale Zahlungen mit dem eEuro, die eine akzeptanzsichernde Anonymität der Transaktionen ermöglichen soll.

Der „Schutz der Privatsphäre“ soll laut Breton auf höchstem Niveau gewährleistet werden. Die Online-Übertragung über den Zahlungsdienst dürfte immerhin so privat sein wie die Überweisung bei einem Bankkonto: Nach der Identifikation des Kunden durch die Bank bestätigt die EZB bei Übertragung des eEuro-Betrages lediglich die Existenz und Echtheit der jeweiligen digitalen Euro – ohne Kenntnis der Person. Die Offline-Übertragung eines eEuro-Betrages via Nahfeldkommunikation (NFC) entspricht dem Niveau einer Geldkarte.

Allerdings wird die EU-Kommission ermächtigt, Durchführungsbestimmungen zu erlassen, um geringere Obergrenzen für Geldbestände in Wallets und für Offline-Transaktionen festzulegen, bei denen die erleichterten Geldwäschevorschriften gelten. Langfristig ist auch eine Verknüpfung der eEuro-Transaktionen mit der von der EU-Kommission vorangetriebenen „European Digital Identity“ denkbar. Damit sollen sich Bürger und Unternehmen künftig in der gesamten EU digital ausweisen können. In dieser Kombination lassen sich fast alle Daten automatisiert zusammenführen, so daß große private und staatliche Datenbanken entstehen könnten – zum „gläsernen Bürger“ ist es nicht weit. Damit wäre auch eine Fernsteuerung unserer Geldnutzung möglich – in Form eines Verfallsdatums von eEuros (Geldentwertung), eines Ausschlusses vom Kauf bestimmter Güter und Dienste bis hin zur vollständigen Kontosperrung einer Person – das chinesische Modell stände Pate. Das sind nur Optionen, doch wer kennt die Zukunft?

Zwar heißt es bei der EZB, beim eEuro würde es sich um ein elektronisches Gegenstück und eine Ergänzung zum Bargeld handeln. Auch die Kommission bekennt sich zum Bargeld. Doch die Diskussion um eine EU-weite Obergrenze von Bargeldzahlungen und die Abschaffung der 500-Euronote gehen in eine andere Richtung. Ähnlich wie im Juni im slowakischen Parlament beschlossen, sollte im Artikel 88 des Grundgesetzes (GG) folgende Einfügung vorgenommen werden: „Die Notenbank stellt die Bargeldversorgung sicher. Das Recht auf Bargeld und seine uneingeschränkte Nutzung als Zahlungsmittel ist unantastbar. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Doch Unionsrecht hat Vorrang vor nationalem Verfassungsrecht: Die Bargeld-Zahlung muß daher zur „Verfassungsidentität“ (Artikel 79 GG) gehören. Nur dann gilt: Was Artikel 79 der Disposition der Politik entzieht, kann auch nicht via Artikel 23 GG an die EU transferiert werden.






Prof. Dr. Dirk Meyer. lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

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