Hü und hott – so präsentierte sich die Politik beim Deutschen Bauerntag in Münster: Während Olaf Scholz den 500 Delegierten per Videobotschaft die Platitüde zuwirft, Landwirte seien einerseits für die Ernährungssicherheit unverzichtbar, und andererseits müßten sie von ihrer Arbeit leben können, macht sein grüner Agrarminister Cem Özdemir dieses Kanzlerverprechen wieder zunichte, indem finanzielle Hilfen zusichert – unter Bedingungen.
Geld soll es nur „für mehr Klima- und Tierschutz“ geben. Selbstbestimmte Arbeit auf freier Scholle gibt es nicht mehr, denn die Landwirtschaft sei „wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig so vom tiefgreifenden Wandel“ betroffen. Das spürt der Bauer tagtäglich, wenn er seine Rechnungen ansieht: „Dünger kostet das Vierfache, Futter kostet das Doppelte, Diesel ist fast nicht mehr bezahlbar“, rechnet Joachim Rukwied vor, Chef des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Dazu kommen immer neue Vorschriften und Regelungen. So hat zwischen 2010 und 2020 die Zahl der schweinehaltenden Bauern auf 32.000 fast halbiert. Elf von 20 Kilogramm Schweinefleisch müssen importiert werden, in der Regel aus Ställen, in denen Tierwohl ein Fremdwort sei. Konkret nennt er Spanien.
Rukwied fordert die zumindest vorübergehende Nutzung zusätzlicher Flächen für den Getreideanbau, denn „jede zusätzliche Tonne schwäche den Aggressor Rußland“. Vor Augen hat er eine zusätzliche Erzeugung von 1,4 Millionen Tonnen Weizen – bei einer deutschen Erntemenge von durchschnittlich mehr als 50 Millionen. Özdemir verspricht ökologische Vorrangflächen zum Getreideanbau, die Aussetzung der ab diesem Jahr geplanten Fruchtfolgeregel, plädiert für eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer für bestimmte Produkte, kritisiert das Höfesterben, Überdüngung und Klimakrise und verkündet markig: „So wie es ist, kann es nicht weitergehen.“
Weniger Subventionen für die Förderung der Agrarstruktur
Zu Özdemirs Zukunftsperspektiven für das Landleben und die Höfe gehören die Tierhaltungskennzeichnung, höhere Preise, die die Verbrauchergewohnheiten am Fleischverzehr ändern sollen, sowie eine langfristige Finanzierungsperspektive beim Umbau zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sowie ein neues Genehmigungsrecht bei Ställen. Die Forderung des DBV-Chefs nach Zuschüssen für neue Bewässerungsanlagen lehnt der Grüne dagegen ab. Die Wasserversorgung sei zwar das größte Zukunftsproblem der Bauern, aber „nicht alle Folgen des Klimawandels könne der Staat auffangen“. Es sei Sache der Landwirte, ihren Wasserbedarf effizienter zu steuern und Wasser eben „nachhaltig mehrfach“ zu nutzen.
Eine klare Antwort der Regierung auf das Motto des Bauerntages „Perspektiven schaffen – Zukunft bauen“. Zuvor hatte Rukwied bereits beklagt, daß man sich in einer „Berliner Blase“ mehr mit Gendern und Wokeness befasse, als mit Themen, die die Menschen im ländlichen Raum wirklich beträfen. Das Bekenntnis Rukwieds zum Green Deal der EU rettet die deutschen Bauern auch nicht vor den Einsparungszielen von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der den Rotstift bei der Gemeinschaftsaufgabe Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes ansetzt. Dreistellige Millionen sollen hier zu Lasten der Landwirte eingespart werden.
Ohne finanziellen Rückhalt durch die Bundesregierung könne die Weiterentwicklung der Landwirtschaft hin zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit aber nicht gelingen, so Rukwied. Und dieser Rückhalt sei derzeit nicht gegeben. Die Politik müsse endlich aufhören, in Legislaturperioden zu denken, mahnte Theresa Schmidt, Vorsitzende des Bundes der deutschen Landjugend, gegenüber dem TV-Sender Phoenix. Wichtiger sei das Denken in Generationen, um den Junglandwirten, die bereits jetzt in neue Richtungen denken und für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Produktion einstehen, Zukunftsperspektiven zu ermöglichen.
Deswegen hoffen die Bauern auch auf das endgültige Scheitern des geplanten Gesetzes zur Naturwiederherstellung (NRL), das die Ausweisung neuer Schutzgebiete und ein Vorkaufsrecht für Umweltorganisationen vorsieht. Im Umweltausschuß des EU-Parlaments hatte die EVP-Fraktion – zusammen mit den beiden Rechtsfraktionen und einigen Liberalen – die NRL-Pläne abgelehnt. Entscheiden wird jetzt am 12. Juli das Parlament. „Bauernland gehört in Bauernhand, Hände weg von unserem Eigentum!“, mahnte Rukwied.
Anders sieht es bei der Bestandsregulierung bei Wölfen und dem Einsatz von Biokraftstoffen aus. Hier müßte die Politik – sprich: Umweltministerin Steffi Lemke und ihre grünen Länderkollegen – ihren „Ideologiehelm“ ablegen. Auch der letzte Satz seiner Rede dürfte ein Schlag ins Gesicht der so gern reglementierenden Regierenden gewesen sein, falls ihn denn in Berlin überhaupt jemand zur Kenntnis genommen hat: „Wir brauchen Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere für die jüngere Generation – Freiheit und Offenheit anstelle von Verboten und Einschränkungen!“