© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/23 / 07. Juli 2023

Augen zu und durchregieren
Gebäudeenergiegesetz: Der milliardenteure „Heizhammer“und seine neuen Baustellen
Stefan Kofner

Die Ampel unternimmt alles, um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) noch vor der Sommerpause durchs Parlament zu bekommen. Die Heizungsdebatte soll or den Wahlen im Herbst in Bayern und Hessen erstickt werden. In solcher Zeitnot wird dazu tief in die Verfahrenstrickkiste gegriffen. Dem Bundestagsausschuß für Klimaschutz und Energie liegt nur der in weiten Teilen überholte 168seitige Gesetzentwurf vom 17. Mai vor – ergänzt durch eine 111seitige „Formulierungshilfe“ des Wirtschafts- und Klimaministeriums (BMWK) für einen Änderungsantrag der Ampelfraktionen.

Können reine Erdgasheizungen nur noch bis 2028 betrieben werden?

Das BMWK schreibt den Abgeordneten auf, was sie zu beantragen haben – und die haben keine Zeit für Details. Die GEG-Änderungen sind von Defensivgeist geprägt: scheinbare Technologieoffenheit, zweifelhafte Lockerungen, Warmmietenneutralität und üppige Subventionen sollen das Wahlvolk einlullen. Immerhin sollen Biomasse-Heizungen nun auch im Neubau als Alternative für den 65prozentigen Erneuerbare-Energien-Anteil beim Heizungstausch zugelassen werden. Bei neuen Holzheizungen entfällt die Pflicht, einen Pufferspeicher, eine Solaranlage zur Warmwasserbereitung sowie eine Einrichtung zur Reduzierung der Staubemissionen anzuschaffen. Erleichtert wird auch der Anschluß weiterer Haushalte an die Fernwärmeversorgung. Für den Aufbau der erneuerbaren Wärmenetze wurde Zeit gewonnen. Die sonstigen Alternativen zur Wärmepumpe sind allerdings weniger brauchbar. Bei der „Solarthermie-Hybridheizung“ müssen mindestens 60 Prozent der aus der anderen Wärmequelle bereitgestellten Wärme aus Biomasse oder Wasserstoff stammen. Das schließt die an sich sinnvolle Kombination der Solarthermie mit einer Gasheizung bis auf weiteres aus.

Auch die Wasserstoffheizung (H2) ist keine Alternative. Zum einen gilt die Ausnahme von der 65-Prozent-Regel für Bestandsgebäude und Neubauten außerhalb von zukünftig ausgewiesenem Neubaugebieten nur bis zum Vorliegen des kommunalen Wärmeplans – das kann bereits vor 2026 sein. Zum anderen wäre es leichtsinnig, eine nicht auf H2 umrüstbare Gasheizung einzubauen, denn für den Biogas- oder H2-Anteil ist eine Zeitstaffel vorgegeben: ab 2029 mindestens 15 Prozent, ab 2035 30 Prozent, ab 2040 mindestens 60 Prozent und ab 2045 100 Prozent. Eine herkömmliche Gasheizung dürfte mithin nur bis 2028 betrieben werden. Selbst für die 30-Prozent-H2-ready-Heizungen wäre 2040 Schluß. Und für die künftigen voll umrüstbaren Heizungen gibt es keine Garantie, daß ein H2-Anschluß überhaupt verfügbar sein wird.

Abgesehen davon verträgt ein großer Teil der 6,5 Millionen bestehenden Gasheizungen überhaupt keinen Wasserstoffanteil. Diese Heizungen müßten also bis Ende 2028 ausgetauscht werden, wenn das H2-Gasgemisch durch die Leitungen zu strömen beginnt. An die Stelle der ursprünglich nur bei einer Heizungshavarie vorgesehenen Übergangsfrist von drei Jahren (mit der Sonderregel für über 80jährige) tritt nunmehr eine allgemeine Übergangsfrist von fünf Jahren. Aber es hat wirtschaftlich immer noch keinen Sinn, eine Heizung einzubauen, die nach fünf Jahren wieder stillgelegt werden muß. Etwas großzügiger gestaltet wurden die Härtefall­ausnahmen, wo nun auch „besondere persönliche Umstände“ als unbillige Härte zählen können.

Nebenbei dürfen die Bundestagsabgeordneten noch über die Mietrechtsreform abstimmen, denn die BMWK-Formulierungshilfe enthält auch die Neuregelung der Heizungsmodernisierungen und ihrer Umlagefähigkeit. Damit soll für die Mieter die Warmmietenneutralität des Heizungstausches gewährleistet werden. Vorgesehen sind zwei Möglichkeiten der Kostenumlage: Erstens die Umlage nach Paragraph 559 BGB mit acht Prozent der Kosten auf die Jahresmiete – gekappt auf 50 Cent pro Quadratmeter (m2), wobei die Gesamt-Kappungsgrenzen für die Modernisierungsumlage von drei bzw. zwei Euro je m2 weiter gelten.

„Klima-Geschwindigkeitsbonus“ für solvente Kurzentschlossene

Zweitens ist die Umlage mit zehn Prozent der Kosten nach dem neuen Paragraph 559e möglich, ebenfalls doppelt gekappt, wobei aber die Förderung in Anspruch genommen und von der Modernisierungsumlage abgezogen werden muß. Damit soll ein mieterfreundlicher Anreiz dafür gesetzt werden, möglichst nur gefördert zu modernisieren. Es verbleibt aber eine große Anreizlücke, die durch die Förderung geschlossen werden muß. Abgesehen davon sind die bei Wärmepumpen erforderlichen Folgeinvestitionen in die Gebäudehülle und neue Flächenheizungen nicht berücksichtigt.

Die künftige Förderlandschaft ist nur in Umrissen bekannt. Es dürfte sich um eine Heizungstauschförderung mit einer Grundförderung von 30 Prozent der Investitionssumme handeln. Für Schnellentschlossene gibt es einen ab 2028 abschmelzenden „Klima-Geschwindigkeitsbonus“. Bei einem zu versteuernden Einkommen von unter 40.000 Euro soll es einen weiteren Bonus von 30 Prozent geben, aber insgesamt nicht mehr als 70 Prozent. Daneben wird ein neues KfW-Kreditprogramm aufgelegt. Das wirkt etwas grob gestrickt: Wer erst vor kurzem die Heizung modernisiert hat, hat nichts von dem Tempobonus und wer auch nur einen Euro mehr verdient als den Schwellenwert, dem entgehen Tausende von Euros an Fördergeld.

Alles in allem wird durch die punktuelle Perforation des rigiden Originalentwurfs die Verwirrung der Bürger eher noch gesteigert. Trotz der Lockerungen und Übergangsfristen gibt es abgesehen von Biomasse und zukünftig vielleicht erneuerbarer Fernwärme immer noch keine zulässige, effiziente und erschwingliche Heizlösung für ungedämmte Bestandsbauten. Mit der Formulierungshilfe wurden sogar zusätzliche Investitionsrisiken begründet. Da hilft nur radikaler Investitionsattentismus: einfach nichts tun, bis die Wärmepläne stehen und die technische Entwicklung vorangeschritten ist.





Vorgaben des schwarz-roten Klimaschutzgesetzes

Das Gebäudeenergiegesetz ist Folge des verschärften Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG), das im Juni 2021 mit schwarz-roter Mehrheit vom Bundestag verabschiedet wurde. Damit wurde das 2019 beschlossene Ziel der „Klimaneutralität“ um fünf Jahre auf 2045 vorgezogen und das Zwischenziel für 2030 auf 65 Prozent „Treibhausgasminderung“ gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88 Prozent Minderung. Linke und Grüne wollten ein viel strengeres KSG, die FDP lieber einen „einheitlichen EU-Emissionshandel“. Die AfD lehnte das KSG als „Ermächtigungsgesetz“ und einen „weiteren Stein auf dem Weg in Unfreiheit und Armut“ ab. Im KSG sind genaue „jährliche Minderungsziele“ für den Gebäudesektor, also für das Heizen und die Warmwassererzeugung, vorgeschrieben. So soll die „Jahresemissionsmenge“ im Jahr 2024 von 97 Megatonnen (Mt) „CO2-Äquivalent“ bis 2030 auf 67 Mt schrumpfen. Für die Industrie, den Verkehr sowie die Abfall-, Energie- und die Landwirtschaft gibt es ähnliche KSG-Vorgaben. (fis)

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