© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/23 / 07. Juli 2023

Änderung der Woche
Alle sind Sieger
Christian Vollradt

Gibt es Generationen Traumatisierter, die seit Jahrzehnten leiden, weil sie einst als Kinder auf der Aschenbahn oder in der Sprunggrube gedemütigt wurden? Abgespeist mit einer Teilnehmerurkunde, dem beißenden Spott der Sieger- und Ehrenurkunden-Besitzer ausgesetzt … Seit 1951 messen sich Schüler verschiedener Jahrgangsstufen bei Bundesjugendspielen alljährlich in leichtathletischen Disziplinen. Für gute Sportler meist ein Grund zur Freude, für die Unsportlichen eher nicht. Und genau das soll sich nun ändern. Ab dem Schuljahr 2023 soll nicht mehr der Wettkampf, sondern der Wettbewerb im Fokus stehen. Der Unterschied? „Der Wettkampf ist nach internationalen Wettkampfregeln beziehungsweise nationalen Bestimmungen des Regelwerks des Deutschen Leichtathletikverbandes normiert. Der Wettbewerb ist nicht normiert“, heißt es aus dem Bundesfamilienministerium. So sollen „mehr Kinder Spaß am Sport entwickeln und nicht durch zu frühes Leistungsdenken abgeschreckt werden“, meinte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen, Ayla Çelik, gegenüber dem ZDF. Kinder, die über ihre individuellen Grenzen gingen, wegen der Punkte-Richtlinien aber nur eine Teilnehmer-Urkunde bekämen, seien oft enttäuscht, resümiert die Pädagogin. In Hessens Kultusministerium betont man, in höheren Jahrgängen an der Form des Wettkampfs festzuhalten, da „auch die pädagogische Perspektive der Leistung eine Rolle im Sport und in der Persönlichkeitsentwicklung“ spiele. Wie wäre es indes, man ließe die strikten Vorgaben auch in anderen Fächern? Warum soll nicht in Mathe ein Einser-Abitur erhalten, wer unfallfrei das Einmaleins aufsagen kann? Nur vom Studium des Brückeningenieurwesens sei dem Betreffenden dann allerdings im Sinne des Allgemeinwohls bitte abzuraten.