© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/23 / 07. Juli 2023

Eine Frage der Mitbestimmung
Klage in Karlsruhe: Nach Ansicht der AfD wurde der Bundestag bei Waffenlieferungen an die Ukraine in seinen Rechten verletzt
Jörg Kürschner

In der Lieferung von Kriegswaffen und militärischer Ausrüstung an die Ukraine ohne Beteiligung des Bundestags sieht die AfD die Rechte des Parlaments verletzt. Deshalb hat ihre Bundestagsfraktion das Bundesverfassungsgericht angerufen. Im Wege eines sogenannten Organstreitverfahrens soll das höchste deutsche Gericht klären, ob dem Bundestag ein Recht auf Teilhabe an der auswärtigen Gewalt zusteht. 

In diesem Fall hätte die Regierung, konkret der von ihr eingesetzte Bundessicherheitsrat, ihren Beschluß, die Ukraine umfangreich militärisch zu unterstützen, dem Bundestag vorlegen und von diesem beschließen lassen müssen. Der Prozeßvertreter der AfD, Ulrich Vosgerau, betonte, es gehe um eine verfassungsrechtliche Frage und nicht um die politische Entscheidung, ob man die Ukraine militärisch unterstütze. Statt den Bundestag durch einen konstitutiven Beschluß einzubeziehen, habe die Regierung „völlig freihändig“ entschieden. 

Vosgerau zeigte sich überzeugt, daß Karlsruhe der Klage stattgeben werde. Denn „wir beziehen uns auf die vom Bundesverfassungsgericht selbst entwickelte Wesentlichkeitstheorie“. Diese besagt, daß der Gesetzgeber staatliches Handeln in grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimieren und alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muß.

In der Klageschrift wird zudem auf den unstrittigen Parlamentsvorbehalt verwiesen. Danach muß der Bundestag vorher entscheiden, wenn etwa deutsche Soldaten zu Einsätzen ins Ausland geschickt werden sollen. Darüber darf nicht allein das Verteidigungsministerium befinden. Dann sei im Umkehrschluß ein konstitutiver Bundestagsbeschluß erforderlich, wenn es um Panzer oder die Ausbildung ukrainischer Soldaten gehe, heißt es in der Klageschrift.

Fraktion fordert Vetorecht des Parlaments

Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen wies darauf hin, daß sich die Bundeswehr bereits vor Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine in schlechtem Zustand befunden habe. Jetzt werde das wenige funktionierende Gerät auch noch weggegeben. Die Ausbildungsunterstützung lähme den Grundbetrieb der Truppe, ist der Bundestagsabgeordnete überzeugt. 

Bereits im Februar hatte die AfD-Fraktion ein Vetorecht des Bundestags bei Waffenexporten in Konflikt- und Kriegsgebiete gefordert. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages waren 2011 in einem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Vetorecht für die Genehmigung von Kriegswaffen- und Rüstungsexporten mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar sei, wenn der Regierung aus wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Gründen ein Abweichungsrecht eingeräumt wird. Ein absolut bindendes Vetorecht des Bundestages sei verfassungsrechtlich jedoch bedenklich.