© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/23 / 30. Juni 2023

Leserbriefe

Zu: „Wieder eine Chance vertan“ von Birgit Kelle & „Pechstein gibt Kufe, die Ampel schlittert“ von Christian Vollradt, JF 26/23

Deutschland braucht mehr Pechstein

Wird hier die Rede- und Meinungsfreiheit in Deutschland auf dem Altar einer rot-grünen Parteiendiktatur geopfert? Diesen Eindruck gewinnen immer mehr Bürger aus der Mitte der Gesellschaft. In einer Rede hatte Claudia Pechstein sich auf dem CDU-Programmkonvent in Berlin für mehr Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr und konsequentere Abschiebungen von Flüchtlingen ausgesprochen, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt wurden. Diese Auffassung wird von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet. Offensichtlich aber nicht von einigen Politikern und Medienvertretern. Sofort brach ein „Shitstorm“ der Entrüstung über die Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin herein. Sie hatte es gewagt, auch noch in Uniform und in der Öffentlichkeit, die Wahrheit auszusprechen. 

Ihre Haut zu Markte trugen allerdings bei Krawallen in Berlin, Leipzig und Essen weder die Bundestagsabgeordneten in Berlin noch ihre Steigbügelhalter der „Qualitätsmedien“. Das sind doch wohl Polizisten, die für Ruhe und Ordnung eintreten und ihre Gesundheit aufs unsägliche Spiel einsetzen müssen. Nun wurde ein Anschlag auf das Auto von Claudia Pechstein und ihrem Lebensgefährten Matthias Große verübt. Was unternimmt denn nun Innenministerin Nancy Faeser, auch als Armbinde-Amateurin bei der Fußbal-WM in Katar aufgefallen, gegen solche üblen Ausschreitungen?  Ohne Meinungs-und Pressefreiheit ist alles nichts wert, was Bundes- und Landespolitiker von sich geben. Eine verfehlte Energiepolitik läßt den Wohlstand in Deutschland weiter sinken und wird die Inflation auch in Zukunft kräftig anheizen. Solche Persönlichkeiten wie Claudia Pechstein braucht es mehr, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Hans-Joachim Nehring, Neubrandenburg






Zu: „ʻWir bleiben positiv gestimmtʼ“ von Curd-Torsten Weick, JF 26/23

Herzlicher Dank und Zerknirschung

Für Ihre hervorragende und engagierte Berichterstattung aus Südafrika (auch in JF 19/23) möchte ich mich sehr herzlich bedanken, auch wenn sie bei mir große Zerknirschung auslöst. Ich verbrachte einige Jahre meiner Kindheit in Apartheid-Südafrika. Viele Jahre war ich später in der AAM/AAB (Anti-Apartheid-Bewegung), wir haben Kampagnen durchgeführt, zum Boykott der Cape Grapes und anderer Produkte aufgerufen und vor allem für den ANC viel Geld gespendet. Nur um zu sehen, wie das Land unter schwarzer ANC-Herrschaft ab 1994 langsam vor die Hunde ging. Strahlte Nelson Mandela noch, strahlte Mbeki nicht mehr wirklich, und mit Jacob Zuma ab 2009 kam ein Führer an der Macht wie im restlichen Afrika üblich: geldgierig sich selbst bereichernd, seine Familie (neun oder nur fünf Ehefrauen, man streitet sich, mindestens zehn Kinder) und seinen Clan bedienend. Sein Land und die Menschen waren nicht wirklich wichtig außer gelegentlich als Stimmvieh. Entsprechend ist der Zustand des Landes heute: die Kriminalität ist hoch, die Wirtschaft ist im Niedergang, die Infrastruktur, insbesondere die Stromversorgung, immer kurz vor dem Zusammenbruch, und wenn sie die afrikaanse Großbauern doch noch enteignen (ohne Entschädigung!), droht eine Hungersnot. Ob Ramaphosa es besser macht, bleibt abzuwarten. Mit dem schwarzen Rassismus schaden sie sich letztlich selbst. Es tut richtig weh, das mit anzuschauen.

Jacqueline A. Henley, Stuttgart






Zur Schwerpunktausgabe: „Wir können auch anders“, JF 25/23

SED-Apologeten: Brecht, Heym, Loest

Tatsächlich wird der 17. Juni 1953 parteipolitisch von allen Seiten instrumentalisiert, wie auch damals, als er von der DDR-Führung als faschistischer Putschversuch gebrandmarkt wurde. Interessant ist dabei, wie sich damals prominente Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller der SED-Diktatur andienten, so auch Erich Loest, Stefan Heym oder Bertolt Brecht, dessen Gedicht „Die Lösung“ damals in der Schublade verschwand, nachdem ihm ein eigenes Theater versprochen wurde, wie es Hubertus Knabe in seinem Standardwerk „17. Juni 1953. Ein deutscher Aufstand“ dokumentiert. 

So verfaßte Brecht bereits in den Morgenstunden des 17. Juni drei Solidaritätsadressen an die Machthaber. An SED-Chef Walter Ulbricht schrieb er, daß es ihm „ein Bedürfnis“ sei, ihm „in diesem Augenblick“ seine „Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszusprechen.“ Im Brief an seinen westdeutschen Verleger Peter Suhrkamp behauptete er, daß „Agenten“ mit „Westfahrrädern“ und „allerlei deklassierte Jugendliche“, die „kolonnenweise eingeschleust“ worden seien, die Straße beherrscht hätten wie auch die „brutalen Gestalten der Nazizeit“. Auch verglich er ein an der Sektorengrenze in Brand gesetztes Haus mit einer Polizeistation mit dem Reichstagsbrand 1933. Ähnlich infam äußerten sich Stefan Heym (Berliner Zeitung) und Erich Loest (Neues Deutschland). Doch sie waren nicht die einzigen, ähnliche oder noch schlimmere Hetze übten auch der Bildhauer Fritz Cremer, der Komponist Paul Dessau, der Schriftsteller Stephan Hermlin oder der Intellektuelle Robert Havemann. Sie alle waren aus meiner Sicht geistige Brandstifter und Komplizen der folgenden Schauprozesse,die mit zahlreichen Todesurteilen oder Zuchthaus endeten.

Markus Speer, Pforzheim






Zu: „Über das Ende nachdenken“ von Bruno Bandulet, JF 25/23

Abgewirtschaftet: Konfrontationspolitiker

Bruno Bandulet hat recht. In der Ukraine erleben derzeit sowohl der großrussische Nationalismus als auch der westliche Universalismus ihr Fiasko. Weder Putin noch Biden erreichen auch nur annähernd, was sie wollen. Weder wird die Ukraine zum westlichen Vorposten der geopolitischen Interessensphäre Rußlands werden, noch zur östlichen Speerspitze der Nato. Die fortwährenden Waffenlieferungen des Westens bewirken genau wie die fortwährende Mobilmachung in Rußland gleichermaßen nur noch ein und dasselbe: den Krieg in die Länge und die Verwüstung der Ukraine in die Breite zu ziehen. Die Konfrontationspolitiker beider Seiten haben abgewirtschaftet. Ihr Spiel steht patt, beide Könige matt.

Dr. Thomas Grüning, Stadtroda




Verzerrte Halbwahrheiten

Ich schätze Bandulets Bücher und bisherige Kommentare, aber was er da auf der Titelseite der JF in seinem neuesten Artikel über den russisch-ukrainischen Krieg schreibt, ist frei von jedem militärischen Sachverstand und gipfelt in verzerrten Halbwahrheiten. 

Sich auf nichtbestätigte Spekulationen eines amerikanischen Investigativ-Journalisten zu berufen, daß die Ukraine hinter der Sprengung des Kachowka-Staudamms steckt, um den Russen und eigenen Landsleuten große Nachteile zu bereiten, ist der Gipfel. Das überschwemmte Gebiet ist für beide Seiten militärisch nicht nutzbar. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die ukrainische Operationsplanung im Süden des Landes. Die überfluteten Flächen am Unterlauf des Dnipro sind verschlammt und machen offensive Operationen mit militärischem Großgerät unmöglich. Gleiches gilt für die circa 140 Kilometer lange Sumpflandschaft des bisherigen Staudammes, der zusammen mit dem Überflutungsgebiet wie ein riesiger Sperriegel in Ost-West-Richtung verläuft. Es nimmt der Ukraine die Möglichkeit, in diesem Abschnitt die Angriffsachsen Richtung Mariupol und weiter bis zum Asowschen Meer zu nutzen. Rußland kann seine Kräfte im Überschwemmungsgebieten ausdünnen und in anderen Front-Abschnitten verdichten. Dort, wo zwei Angriffsachsen der Ukrainer mit ersten Raumgewinnen bei Saporischschja, westlich von Donezk und im Raum Bachmut zu erkennen sind. Wem nutzt also die Überflutung? Nicht den ukrainischen Menschen und schon gar nicht dem ukrainischen Militär! 

Daß sich „in Warschau, Prag und Budapest und im Baltikum“ „Kriegsmüdigkeit breitmacht“, verdreht die Tatsachen. Und: Keiner der osteuropäischen oder Nato-Staaten beteiligt sich oder führt einen Krieg gegen Rußland oder erlahmt in Müdigkeit. Das Denkergebnis, zu dem der Artikel mit dicken Lettern auffordert, führt zu einem realisierbaren Ergebnis: Rußland kann jederzeit den Krieg beenden, indem es seine Aggressionen unverzüglich einstellt und seine Truppen hinter die ukrainische Grenze von 1991 zurückzieht. Diese wurde in russisch-ukrainischen Verträgen über gegenseitige Beziehungen als Grundlage der eigenen Staatlichkeit der Ukraine völkerrechtlich garantiert und damit auch die Unverletzlichkeit der Grenzen.

Harald Thomas, Oberstleutnant a.D., Bonn




Ignoranz historischer Tatsachen

Aus Sicht Bandulets sollen offenbar die Waffenlieferungen verantwortlich sein für die Entwicklung des Krieges in der Ukraine. Kritik am russischen Angriffskrieg ist „Kriegspropaganda“, sie mache Rußland zur „Inkarnation des Bösen“. Bandulets Ausführungen lassen ein erschreckendes Ausmaß an Ignoranz der historischen Tatsachen erkennen. Putins Krieg verstößt nicht nur gegen internationales Recht, sondern auch gegen die Verträge von Kiew (1997, 2008 um zehn Jahre verlängert) und Budapest (1994), in welchen Rußland die Grenzen der Ukraine anerkannt hat. Dies hat sogar Wladimir Putin 2013 in einer Rede versichert. 

Das alles hinderte ihn nicht an dem Beginn des Eroberungskrieges. Erst jüngst im Februar verkündete der Kreml, die Kriegsziele (so viel wie möglich ukrainisches Territorium zu erobern) hätten Vorrang vor Friedensverhandlungen. Übrigens: Auf dem Nato-Gipfel 2008 wurde der Antrag der Ukraine auf Beitritt abgelehnt – allerdings gegen die Auffassung der USA  – und nicht, wie Bandulet schreibt, verkündet, die Ukraine aufzunehmen.

Dr. Theodor Seidel, Berlin




Potentieller russischer Bürgerkrieg

Unter dem Deckmantel der Objektivität relativiert der Autor das Verbrechen des Überfalls der Russen. Niemand „unterstellt“ den Russen „Vernichtungsphantasien“, sie werden nämlich täglich dokumentiert. Der Autor schwadroniert vom „Endspiel“, und meint, wer es mit der Ukraine gut meine, dürfe die Ukrane nicht als zerstörtes Land hinterlassen. Vielleicht eher als russisch besetztes und ausgeplündertes Land? Der Autor verliert auch kein Wort über den hauptschuldigen Kriegsverbrecher und Stalin-Epigonen im Kreml. Daß in Rußland Privatarmeeen bestehen und potentiell ein Bürgerkrieg möglich ist, bleibt leider ebenfalls außen vor.

Und über den Kachowka-Staudamm ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Warum wohl hält man Rußland für die Inkarnation des Bösen? Weil es in seiner Geschichte permanent seine Nachbarstaaten in imperialistischer Manier bedrängt, unterjocht und sie zum Teil annektiert hat.

Dirk Jungnickel, Berlin






Zu: „Es gibt immer ein erstes Mal“ von Werner Becker, JF 25/23

Union und Ampel: demokratieschädigend

Auf der Suche nach Gründen des Erstarkens der AfD wird der Ball zwischen den politischen Lagern hin und her geworfen. Mal schlägt er im Feld der Ampel-Koalition auf, mal im Feld von CDU/CSU. Wer die Entwicklung der AfD seit ihrer Gründung 2013 verfolgt, dem fällt auf, daß die Union den Konkurrenten sofort ins Visier genommen hat, nicht um der politischen Auseinandersetzung willen, sondern um diese Partei auszugrenzen und zu verunglimpfen. Dieses Spiel betreibt sie und betreiben die anderen Parteien bis heute in einem immer unerträglicheren Maße, da alle demokratischen Spielregeln beiseite gefegt und die Wähler dieser Partei gleich mit beschimpft werden. 

Spielte sich dieses Spektakel nur außerhalb der Parlamente ab, wäre es vielleicht nicht so gravierend. So aber ist es schon lange demokratieschädigend. Doch in allen Parlamenten Deutschlands wird diese Ausgrenzung einer demokratisch gewählten Partei von den anderen ebenfalls auf selbem Weg gewählten Parteien und Abgeordneten betrieben. Erst dies hat mit dazu beigetragen, daß sich auch mehr und mehr radikale Meinungen innerhalb der AfD und in der deutschen Gesellschaft durchsetzen konnten. Wie würde man eigentlich als deutscher Normalbürger darauf reagieren, ständig gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden?

Wolfgang D. Weithäuser, Düsseldorf