Vor einiger Zeit fragte der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek die Bundesregierung, ob sie sich auf einen Kontakt mit Außerirdischen vorbereite. Die Antwort hierauf lautete: Nein. In der gleichen Passivität verharrt auch die Uno. Dabei ist ein Zusammentreffen mit Aliens gar nicht so unwahrscheinlich: Angesichts des Alters des Universums und der Vielzahl von bewohnbaren Himmelskörpern könnte es im Prinzip jederzeit dazu kommen. Wobei die Folgen eines solchen Ereignisses wohl nachgerade epochal wären. Dieser Umstand inspirierte den Berliner Anwalt Klaus Stähle zu einer ausführlichen juristischen Studie mit dem Titel „Rechtsfragen beim Kontakt mit Außerirdischen“. Selbige besteht aus elf Teilen. Im ersten beschäftigt sich der Autor mit den unterschiedlichen Formen von möglichen Kontakten. Danach geht es um die zu erwartenden Herausforderungen für die Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und eben auch die Justiz.
Der dritte Teil ist der Frage gewidmet, wer von den Aliens am ehesten Kontakt mit den Menschen suchen könnte und wie sein juristischer Status auf der Erde aussehen müßte. Dem folgt Teil vier, welcher zu beantworten versucht, wem die Befugnis zusteht, namens der Menschheit mit den extraterristrischen Besuchern zu kommunizieren: den Vereinten Nationen, einzelnen Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen oder ausgewählten Individuen? Stähles Auffassung hierzu lautet: Am ehesten sei wohl die Uno geeignet, eine handlungsfähige und legitime „Struktur“ zu schaffen, die „in der Lage ist, für die Erde mit einer Stimme zu sprechen“.
Im fünften Teil wird diskutiert, auf der Basis welchen irdischen Rechts der Kontakt stattfinden sollte. In Frage käme hier vor allem das Weltraumrecht und das Völkerrecht. Auf der anderen Seite müßte der Homo sapiens allerdings damit rechnen, daß die Aliens sich auf ihr eigenes oder uns bislang unbekanntes intergalaktisches Recht berufen. In diesem Fall bliebe dann nur noch das sogenannte Metalaw, ein rechtliches Minimum auf der Basis der Ziele und Interessen, die jeder lebende Organismus hat. Das würde indes auch nicht greifen, wenn wir auf eine post-biologische Zivilisation treffen, die auf Künstlicher Intelligenz beruht.
Um mögliche Konfliktfälle straf-, zivil- und wirtschaftsrechtlicher sowie umwelt- und gesundheitsrechtlicher Art, welche aus Handlungen beider Seiten resultieren könnten, geht es dann im sechsten Teil. Die Liste der potentiellen Reibungspunkte ist natürlich lang, wobei Stähle dem Umwelt- und Infektionsschutz das größte Gewicht beimißt und hier eine alsbaldige prophylaktische Verabschiedung entsprechender Regelungen anmahnt. Lösungsansätze für die aufgeworfenen juristischen Probleme infolge des Kontakts mit Außerirdischen präsentiert dann der siebte Teil. In diesem formuliert der Autor beiderseits akzeptierbare Rechtsgrundsätze und macht Vorschläge für eine gemeinsame Gerichtsbarkeit mit den Aliens.
Der achte Teil dreht sich dann nochmals um die Frage, wer von uns Erdenbewohnern bei einem Zusammentreffen mit Außerirdischen die konkreten Entscheidungen treffen sollte. Dabei liegt die große Unbekannte für Stähle darin, ob die anderen uns den Kontakt aufzwingen werden oder nicht. Denn der birgt natürlich nicht nur Chancen, sondern auch massive Risiken, die im Vorfeld abgewogen werden müssen. So könnte die Übernahme außerirdischer Technologien unser gesamtes soziales Gefüge, unsere Kulturen und Religionen, unsere Psyche und das Wirtschaftssystem vollkommen durcheinanderbringen. Insofern wäre es unter Umständen sinnvoll, doch lieber auf Abstand zu bleiben.
Gegenstand des neunten Teils sind die eventuell nötigen Transformationsverträge zwischen der Menschheit und den Aliens, durch welche der Austausch von Wissen und Technologien geregelt wird. Ebenso skizziert Stähle Vereinbarungen zur Rechtsstellung der Außerirdischen auf unserem Planeten. So will er jedem Staat der Erde die Möglichkeit einräumen, die „Einreise“ von Fremden aus dem All zu verbieten.
Der zehnte Teil ist dann praktischen Rechtsdingen gewidmet. Hierzu zählen Quarantänevorschriften zum gegenseitigen Schutz, Haftungsregelungen im Schadensfall, die Sicherung der „Reziprozität bei Reisen, Tourismus und allgemeinen Freiheitsrechten“, Abkommen zur gemeinsamen Nutzung anderer Himmelskörper sowie personenrechtliche Fragen im Falle von eventuellen „Ehen zwischen Außerirdischen und Menschen“ oder „gemeinsamen Kindern“. Und zum Abschluß listet der Verfasser dann noch essentielle „politisch institutionelle Handlungsschritte“ bei der Kontaktaufnahme sowie auch schon in deren Vorfeld auf. Zu den letzteren gehört die baldige Schaffung einer Institution zur Klärung der juristischen Fragen, die sein Buch aufgeworfen hat.
Die gesamte Darstellung von Stähle muß natürlich unter dem Vorbehalt gesehen werden, daß unsere Rechtsphilosophie vollkommen anthropozentrisch ist und den Außerirdischen daher auch komplett gleichgültig sein könnte. Zumal diese – da sie es ja vermochten, die räumliche und damit auch zeitliche Distanz zwischen ihrem Heimatplaneten und der Erde zu überbrücken – uns haushoch überlegen sein dürften. Ansonsten weist das originelle Buch nur einen winzigen Makel auf – und das ist Stähles Vorschlag im allerletzten Absatz: Beim Kontakt mit den Aliens solle auch das deutsche Außenministerium mit seinen Völkerrechtsexperten präsent sein. Das bitte nicht! Sonst erklärt Annalena Baerbock den außerirdischen „Kobolden“ am Ende noch versehentlich im Namen des Planeten Erde den Krieg.
Klaus Stähle: Rechtsfragen beim Kontakt mit Extraterrestrischen. Völkerrecht, Wirtschaft und Politik – ein Gedankenmodell. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2023, 186 Seiten, broschiert, 36 Euro