Die Musik dieses Albums klingt von weither. Es ist Kammermusik, die an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert für den französischen Hof geschrieben wurde, in unsicheren Zeiten also. Aber für Verunsicherung sorgt hier lediglich Gott Amor, der in den Airs de Cour umgeht, französischen, homophonen Kunstliedern, zumeist Liebeslieder für Solostimme, vornehmlich begleitet von der damals überaus beliebten Laute.
Lieder und Tanzsätze von Pierre Guédron, Antoine Boësset, Étienne Moulinié, Michel Lambert, Robert de Visée, Henry de Bailly, Gabriel Bataille und Louis de Caix d’Hervelois, die ihren Ovid ins Höfische übersetzt haben, hat die Lautenistin Christina Pluhar mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata und dem Sopranisten Philippe Jaroussky ins Heute übersetzt.
Das Spiel der Banda in den von Pluhar arrangierten Stücken ist ebenso buchstabengetreu wie improvisiert, die barocken Ausführungsregeln sind kundig ausgelegt. Philippe Jaroussky bringt sich mit herbstreifem, bisweilen flatterzüngigem, bisweilen greinend übersteuertem Sopran ein, die langjährige familiäre Vertrautheit der Aufführenden miteinander beglaubigend.
Sie musizieren höfisch höflich, auf das Feinste aufeinander eingestimmt, wie in Erinnerung an alte Zeiten, als man sich auf die Insel Kythera einschiffte, die Liebesinsel, die kein Sturm je würde verwüsten können, von der man aber schon lange wieder zurück ist: am Hofe und im Salon und im Studio, dahin die großen Taifune nicht kommen. Wenn man nur nicht zu dicht ans Fenster tritt.
Passacalle de la Follie Christina Pluhar I Philippe Jaroussky I L‘Arpeggiata Erato 2023