© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/23 / 30. Juni 2023

Klaus Schroeder. Der Experte für Linksextremismus gerät unfreiwillig in eine öffentlich-rechtliche Realsatire.
Der Störenfried
Werner J. Patzelt

Schließlich hatte er die Nase voll: „Was ich sage, wird nicht zur Kenntnis genommen. Ich beende das Gespräch, danke!“ Im Eklat verließ Klaus Schroeder vor dem Ende der live übertragenen Debatte das Berliner Hauptstadtstudio. Nach fast zwei Stunden hatte der renommierte Extremismusforscher entnervt sein Bemühen aufgegeben, in einer Expertenrunde des Deutschlandfunks zum Thema Linksextremismus über Linksextremismus zu diskutieren.

Dem Gebührenzahler hatte man die Ausgabe der Sendereihe „Kontrovers“ vom 5. Juni tatsächlich unter dem Titel „Nach dem Urteil gegen Lina E. Neue Diskussion um linke Gewalt“ angekündigt. Was er dann aber für seinen Rundfunkbeitrag bekam, war – Sie ahnen es – eine weitere Sendung über Rechtsextremismus. Kein Wunder, daß dem Kollegen Schroeder das irgendwann zu toll war, denn für Possenspiele ist er wohl ein zu ernster Mann. Schließlich widmet sich der Mitbegründer und Leiter des „Forschungsverbunds SED-Staat“ an der Freien Universität Berlin seit über dreißig Jahren dem beklemmenden Erbe des DDR-Totalitarismus sowie dem Linksextremismus allgemein. Ein Feld, auf dem er einen exzellenten Ruf genießt, wie nicht nur seine vielen Bücher, sondern auch seine zahlreichen Gastbeiträge in den Medien belegen.  

Seit Jahrzehnten schreibt Klaus Schroeder gegen das relative Desinteresse am Linksextremismus an.

Hätte man da aber nicht mehr Geduld von ihm erwarten können? Schließlich ist es der bedächtige Hanseat, geboren 1949 in Lübeck-Travemünde, gewohnt, dicke Bretter zu bohren: Seit Jahren, ja Jahrzehnten schreibt er unermüdlich gegen das relative Desinteresse hierzulande am zwar nicht weniger bedrohlichen, doch weit weniger beachteten Linksextremismus an. 

Zu seiner Entnervung im Lauf der Radio-Farce mag beigetragen haben, daß wer wie er den bis tief in die Mitte der Gesellschaft ragenden Linksextremismus gewissenhaft herauspräpariert, mit einem Bein stets schon vor dem Wohlfahrtsausschuß des „Kampfs gegen Rechts“ steht. Daß wer auf Rundumverteidigung unserer freiheitlichen Demokratie in alle politischen Richtungen besteht, sich rasch verdächtig macht: Warum arbeitet Schroeder sich am Linksextremismus ab? Weshalb tritt er mit all seiner politikwissenschaftlichen Fachkenntnis nicht einfach nur als Mahner „gegen Rechts“ auf? Zudem wagt er es, die bundesdeutschen Folgen von mancherlei Leichengift der DDR zu analysieren und provoziert mit Texten über Ex-Nazis im antifaschistischen Staat der SED.

Doch den Linksextremismus aus dem Schatten des Rechtsextremismus hervorzuholen – nein, das geht zu weit! Denn wie das Exerzierreglement auf dem Kasernenhof gilt unseren Medien beim Thema Linksextremismus ein Debatten-Drill, bei dem jeder „Griff“ zu sitzen hat: Zunächst ist der Rechtsextremismus als größte Gefahr vor Augen zu führen. Sodann die hierbei staatliche Blindheit, samt rechtsverdorbenem Seelenleben von Polizei und Armee zu beklagen. Und schließlich zwar zu bedauern, wenn beim dringend nötigen Kampf gegen neuen Faschismus durch Gewaltanwendung mal übers Ziel hinausgeschossen wird, doch vor allem sind diesen delegitimierende, irreführende Vergleiche mit Rechts aufs schärfste anzuklagen: Denn wer vom Linksextremismus rede, der dürfe vom ihn rechtfertigenden Antifaschismus nicht schweigen! Doch geht Pluralismus wirklich so? Die Antwort darauf hat Klaus Schroeder nun öffentlich gegeben.