© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/23 / 30. Juni 2023

Augen zu und durch
Die Segregation im Land nimmt zu – gibt es noch einen gemeinsamen Nenner?
Laila Mirzo

Menschen, die in ihrem Land dieselbe Sprache sprechen, gemeinsame Traditionen pflegen und einen Grundkonsens über gewachsene Werte teilen – dies ist die Definition einer Nation. Trifft dies noch auf Deutschland zu? „Einigkeit und Recht und Freiheit“ wünschten sich die demokratischen Väter der deutschen Nation und ihrem Volk, doch eben dieser Grundboden eines freien und demokratischen Rechtsstaates erodiert zunehmend. Seit Jahren macht sich eine Segregation bemerkbar, sie spaltet Deutschland auf sämtlichen Ebenen – sozial, sprachlich und kulturell.

Die Massenmigration kulturfremder Einwanderer, die zu einem erheblichen Teil das abendländische Wertesystem ablehnen, hat in den Krisenjahren 2015/2016 den ersten Keil durch die Gesellschaft getrieben. Schon damals spaltete sich ein Großteil der Bevölkerung in bedingungslose Migrationsbefürworter und in weitsichtige Mahner. 

Der Riß geht seither quer durch Familien, Freundes- und Bekanntenkreisen, wobei die vielbeschworene Toleranz der „Refugees welcome“-Fraktion nicht für Andersdenkende gilt. Wer vor den Folgen der Migration für die innere Sicherheit warnt und auf die offensichtlichen Mißstände hinweist, wird reflexartig als rechtsradikal und verfassungsfeindlich gebrandmarkt. 

Der zweite Keil war dann die Corona-Krise. Auch da zerbrachen Freundschaften und sogar Familien. Die einen hatten zum Teil Todesangst, ließen sich impfen und boostern, die anderen wurden bei Verweigerung aus dem öffentlichen Leben weitgehend ausgegrenzt und in ihren Grundrechten beschnitten. Die Segregation frißt sich seither immer weiter ins Fleisch der Nation. 

Mit dem Ukraine-krieg erfaßte eine weitere Spaltungswelle das Land. Ehemalige Pazifisten rufen jetzt nach Waffen, wer zu Verhandlungen auffordert, um weiteres Blutvergießen unschuldiger Zivilisten zu beenden, ist ein „Putinversteher“ – nach nun acht Jahren der Krisen scheint es in der deutschen Bevölkerung keinen Grundkonsens mehr zu geben. Selbst wer eigentlich unpolitisch ist, bekommt Schaum vor dem Mund, wenn der Nachbar Fleisch ißt und einen Verbrenner fährt. 

Es wird Stimmung gegen Rentner in zu großen Wohnungen gemacht, kinderreiche Familien sind schlecht fürs Klima, kinderlose Singles sollen gefälligst mehr in die Rentenkassen einzahlen. Es ist, als gäbe es nur noch Schwarz und Weiß, Freund und Feind. Als hätten viele ihren inneren Kompaß verloren und die tägliche Agenda besteht daraus, „gegen etwas“ zu sein. 

Konflikte werden vielerorts mit verbaler und auch physischer Gewalt ausgetragen. Schauplätze dieser negativen Entladung sind vermehrt die Freibäder: Massenschlägereien gehören inzwischen in den Ballungszentren zum Badeerlebnis. Schwimmbäder müssen sogar Sicherheitspersonal engagieren, um den aggressiven jungen Männern entgegentreten zu können. Berlin oder Mannheim, die Bilder gleichen sich. Migrantische Badegäste gehen aufeinander los, Auslöser dafür sind oft Lappalien. Schnell rotten sich die jeweiligen Familienmitglieder zusammen oder die Angehörigen einer Nationalität. Syrer gegen Libanesen, gegen Afghanen, gegen Iraker … Wer sich dem entziehen will, sucht die Abkühlung an Seen außerhalb der Großstadt. Alles, was aber noch von dort aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, zählt zum Einzugsgebiet der aggressiven Klientel.

In den Schulen zeigt sich bereits eine deutliche „Binnenflucht“, selbst bei Linken, die von den Konsequenzen ihrer gewählten Politik nichts wissen möchten. Wer es sich leisten kann, nimmt die eigenen Kinder aus den öffentlichen Schulen und schickt sie in behütete Privatschulen. Die Nachfrage ist groß, die Zahl der allgemeinbildenden Privatschulen wächst von Jahr zu Jahr. Dort gibt es funktionierende Toiletten und höhere Bildungschancen. Die Schulgeld-Schranke fungiert als soziales Sieb. Bildungsferne Eltern nehmen selten viel Geld in die Hand, um es in die Ausbildung des Nachwuchses zu stecken. Vom Bürgergeld läßt sich eine Privatschule kaum finanzieren. Schüler mit migrantischem Hintergrund bringen an privaten Schulen seltener sprachliche Defizite mit, und der Unterricht funktioniert damit für alle reibungsloser. 

Blickt man indes auf viele Berliner, Kölner, Hamburger oder Frankfurter Schulhöfe, findet man dort einen Anteil migrantischer Kinder von teilweise über 80 Prozent und mehr. Lehrer klagen darüber, daß die sprachlichen Defizite und die kulturellen Konflikte unter den Schülern einen normalen Unterrichtsverlauf kaum noch zulassen. Und wieder sind wir bei der Segregation: Wer Geld hat, eine Privatschule zu finanzieren oder höhere Mieten in einem besseren Stadtteil zu zahlen, ist klar im Vorteil, der Rest wird abgehängt und hat keine Wahl. 

Während das Metronom des sozialen und wirtschaftlichen Verfalls von Jahr zu Jahr schneller schlägt, setzt die Regierung ihren Selbstzerstörungskurs mit einer beispiellosen Sturheit fort. Das Volk läßt sie größtenteils gewähren, denn die Angst davor, als „rechts“ stigmatisiert zu werden, ist groß. Lieber schluckt man und schluckt man, bevor man den Mund aufmacht. 

Solange die Mainstream-Medien sich als Steigbügelhalter der Politik instrumentalisieren lassen, werden es die Anständigen in diesem Land sehr schwer haben, sich gegen die öffentliche „Haltung“ zu behaupten. So geschehen in der ARD-Sendung „hart aber fair“ am 19. Juni zum Thema Sexismus und Machtmißbrauch.

Die hessische Unionspolitikerin Lisa Schäfer merkte dort an, daß sie es als unangenehm empfinde, wenn ihr „beim Gang durch Brennpunktstraßen in größeren Städten junge Männer, deren Sprache ich nicht mal verstehe, Sprüche hinterherrufen“. ARD-Moderator Louis Klamroth konterte mit der Frage, ob sie denn kein Englisch spreche. Ihr wird nun vorgeworfen, „rechtes Gedankengut“ zu verbreiten. Diese fatale Verleugnung der Lebensrealität tut ihr übriges für das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Der soziale Frieden ist höchst gefährdet – wir tun gut daran, einander wieder zuzuhören und miteinander zu reden, um den Karren gemeinsam aus dem Graben zu ziehen.