© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/23 / 23. Juni 2023

Umwelt
Warschau bleibt standhaft
Paul Leonhard

Vor zwei Jahren verlangte der Europäische Gerichtshof die Einstellung der Braunkohleförderung, nun das Verwaltungsgericht Warschau. Doch „kein Gericht wird Polen etwas diktieren, wenn es um die Energiesicherheit geht“, erkärte Premier Mateusz Morawiecki beim Besuch des Tagebaus Türchau (Turów) im Zittauer Becken. Der Betrieb werde bis 2044 weitergehen, denn das dortige Kraftwerk des Staatskonzerns PGE ist mit 2.029 Megawatt (MW) das drittgrößte Polens. Das Lausitzer Kraftwerk Schwarze Pumpe kommt nur auf 1.600 MW. Aber die Bewohner im Dreiländereck um Zittau, Grottau (Hrádek nad Nisou) und Reichenau (Bogatynia) leiden unter Lärm und Staubbelastung. Die Grundwasserabsenkung führt zu Bodensetzungen, die historische Gebäude in Zittau bedrohen. Keinen Handlungsbedarf sieht dagegen der tschechische Regierungschef Petr Fiala. Das Abkommen mit Polen beinhalte Umweltgarantien und Kompensationen von 45 Millionen Euro. Zudem werde eine unterirdische Wand gegen den Wasserverlust gebaut.

Ein Braunkohleabbaustopp würde nicht nur die polnische Energieversorgung destabilisieren.

Mit leeren Händen steht der Zittauer Bürgermeister Thomas Zenker da, der gemeinsam mit Greenpeace geklagt hatte, ohne daß sie dabei vom Freistaat Sachsen oder der Bundesregierung unterstützt wurden. Zwar bekamen sie recht mit ihrem Vorwurf, daß die Dokumente zur Umweltverträglichkeit fehlerhaft seien und die Folgen des Tagebaubetriebs für die Nachbarländer nur unzureichend berücksichtigt wurden. Aber der PGE-Konzern sieht in der Gerichtsentscheidung eine „gewöhnliche Erpressung“: Die Umsetzung des Kohleabbaustopps würde die polnische und europäische Energieversorgung destabilisieren. Überdies drohe ein Schaden von drei Milliarden Euro, weil die dortige PGE-Belegschaft entlassen werden müsse, Lieferverträge nicht eingehalten würden und Zulieferfirmen pleite gingen. Für die deutsche Energiesicherheit spielte das Kraftwerk Turów bislang keine entscheidende Rolle – Atom- und beschlossener Kohleausstieg ändern dies allerdings nun.