© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/23 / 23. Juni 2023

Zurück zu unseren Wurzeln
Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft tagte in der Oberlausitz / Kein Aktivist des grünen Spektakels
Sabine Müller

Vertreter von CDU und Grünen waren nicht dabei. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) sendeten kein Grußwort anläßlich von Herbert Gruhls 30. Todestag. Dabei war er doch ihr Mitgründer. Das übernahm bei der Jahrestagung der Herbert-Gruhl-Gesellschaft daher ein anderer Ex-CDUler, der langjährige FAZ-und Welt-Journalist Konrad Adam. Und er lobte den Veranstaltungsort Bautzen und die Exkursion in Gruhls nahe gelegenen Geburtsort Gnaschwitz. Ein „guter Einfall“ sei das, denn Gruhls Lebensthema war „die Liebe zur Natur, die ihren Ursprung auf heimatlichem Boden hat“.

Bewahren wolle man „nur das, was man liebt, und lieben kann man nur das, was man kennt, das Nahe und Vertraute also, mit einem Wort: die Heimat“, so Adam. Die aktuelle Politik setze unter Schlagworten wie „Klimawende, Verkehrswende, Heizungswende“ inzwischen auf „Kontrolle und Verbot, auf Drohungen und Strafe“. Freiheit bedeute Unabhängigkeit von „all den tausend Dingen, die für nutzlos, überflüssig“ gelten dürften, aber von der „florierenden Werbeindustrie als unentbehrliche Begleiter des zeitgemäßen Lebens aufgeschwatzt“ würden. Deren Kernbotschaft lautet immer noch: „Konsumiert und denkt nicht an morgen“.

Jeder Mensch braucht auch eine Heimat

Gruhl habe früh auf Widersprüche in den öffentlichen Debatten hingewiesen und seine Botschaften in Formen vorgetragen, „die nicht abschreckend wirken mußten und ernst genommen wurden“. Er sei „ein Aktivist des Wortes“ gewesen, „nicht des Spektakels oder des Klamauks“, wie man ihn heute kennt. Immer wieder galt es für Gruhl „aufs Argument“ zu setzen, um so wichtiger sei „sein Vermächtnis“ in Erinnerung zu behalten – mit der notwendigen „Beharrlichkeit“.

Auf „Herbert Gruhls Liebe zur Oberlausitz“ ging Heinz-Siegfried Strelow am zweiten Tag der Gedenkveranstaltung ein und beschrieb seine bäuerliche Existenz in der Zwischenkriegszeit. Strelow machte deutlich, der Mensch brauche Heimat, ein Begriff, der in jüngerer Zeit wieder vermehrt positiv besetzt und von Gruhl immer wichtig genommen worden sei. Die Uniformität und Gleichförmigkeit, wie die Globalisierung sie biete, werde auch längst als unzureichend erkannt. Hier war Gruhl für Strelow seiner Zeit mit deutlichen Worten voraus.

Heimat sei ursprünglich mit Haus- und Hofbesitz verbunden gewesen. Die Supermärkte von heute könnten hingegen kaum Heimat vermitteln, seien dort auch begrüßenswert regionale Produkte im Trend. Gruhl selbst hatte mit seiner Heimat, der Oberlausitz, auch seine Verwandtschaft verbunden; ihm sei die Wiedervereingung des Landes um so wichtiger gewesen in einer Zeit, in der kaum eine Partei sie noch ausdrücklich im Programm gehabt habe, ausgenommen die Republikaner und die ÖDP unter seinem Vorsitz bis Anfang 1989.

Ein weiterer Referent war Michael Beleites, einst Umweltaktivist in der DDR, bis 2010 Beauftragter für die Stasi-Unterlagen in Sachsen und heute Gärtner bei Dresden. Die bäuerliche Landwirtschaft komme heute in der staatlichen Förderpolitik zu kurz, zugunsten großer Betriebe, gerade auch in den neuen Bundesländern. Die geschlossene Kreislaufwirtschaft alter Bauernhöfe sei durch externe Leistungen aus der Chemie aufgebrochen worden, was der Steigerung der Erntemenge diene, worin ihm aber eine Einseitigkeit zu Lasten qualitativer Aspekte zum Ausdruck komme. Der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln sei in Deutschland nicht mehr gewährleistet, hier sei ein Umdenken wichtig. Damit ging es um Krisenfestigkeit, die heute wichtiger genommen werde.

Gruhls Diktum und das alte ÖDP-Motto „Weniger ist mehr“ kam in den weiteren Redebeiträgen öfter zur Sprache. Das bedeutetete materielle Bescheidenheit, ein Wachstum an Kultur und Natur sei erstrebenswert. Der Lebensschutz, der Flächenverbauch hierzulande, der Regenwaldverlust in Südamerika, aber auch die von der Künstlichen Intelligenz (KI) im Kriegs­einsatz ausgehende Sprengkraft für die Zukunft wurde treffsicher mit Herbert Gruhl und seinen Schriften in Verbindung gebracht.

Auf Manipulationen in Medien und Politik sensibel reagieren

Ein Ausflug zu Gruhls Geburtsort Gnaschwitz machte die bäuerliche Lebenswelt auch fühlbar. Die Gastwirtschaften waren allerdings geschlossen, ein Problem, das für Beleites ein Strukturproblem des Dorflebens ist. Doch immer weniger Bauernhöfe könnten das Dorfleben im bekannten Sinne nicht mehr tragen – es gibt vielmehr Siedlungen im Sinne von Vororten von Städten, die einförmiger seien.

Für den einstigen DDR-Oppositionellen hat auch das nahe Bautzen eine spezielle Bedeutung: In der Stadt steht das „Gelbe Elend“, bis 1989 Zuchthaus für politische Gefangene der DDR und heute JVA des Freistaats Sachsen. Besonders hart habe es dort Renegaten getroffen. Denn dem Sozialismus abzuschwören war schlimmer, als ihn zu bekämpfen. Beleites thematisierte nicht nur um die zwei Prozent Täter und Opfer, sondern die Grauzonen dazwischen, mit denen erst eine Diktatur bestehen konnte. Beleites warb dafür, die heute über 45jährigen Ex-DDRler als Frühwarnsystem zu sehen, wenn sie auf Manipulationen in Medien und Politik besonders sensibel reagierten.

Noch eine Lektion habe die DDR für heute zu bieten: den Übergang von harten Haftstrafen in den sechziger Jahren zu Zersetzungsmaßnahmen und Rufschädigungen ab den siebziger Jahren. Letzteres sei wieder aktuell. Teils staatlich geförderte Einrichtungen seien darauf spezialisiert, Rufmord zu betreiben. Nicht nur AfD-Mitglieder würde es treffen, auch beruflich. Einem Staat, dessen Demokratie vom Pluralismus lebe, sei das abträglich: „Wehret den Anfängen!“, würden Historiker formulieren.

Herbert-Gruhl Gesellschaft: www.herbertgruhl.de





Herbert Gruhl, ein Naturkonservativer aus Sachsen

Am 22. Oktober 1921 in der sächsischen Oberlausitz geboren, studierte Herbert Gruhl nach Landwirtlehre, Kriegsdienst und Flucht aus der Gefangenschaft in Berlin Germanistik, Geschichte und Philosophie. Nach der Promotion ging Gruhl nach Hannover und war ab 1969 CDU-Bundestagsabgeordneter. Mit Richard von Weizsäcker verfaßte er 1972 das CDU-Konzept für „Umweltvorsorge“. Mit seinem Buch „Ein Planet wird geplündert“, Kritik an der Atomindustrie und als Chef des Bundes für Natur- und Umweltschutz (1975 bis 1977) entfremdete sich Gruhl von der CDU. Er trat 1978 aus und gründete die Grüne Aktion Zukunft, die sich 1980 den Grünen anschloß. Wegen deren Linksdrift wurde er 1982 Mitgründer und Vorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), die zu er zu einem wertkonservativen Arm der Umweltbewegung formen wollte. Dies mißlang ebenso wie die 1990 versuchte Etablierung der Unabhängigen Ökologen Deutschlands. Trotz seiner Kritik an globaler Überbevölkerung erhielt er 1991 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Am 26. Juni 1993 starb er in Regensburg an einem Schlaganfall. (fis)