Stellen Sie sich vor, Sie möchten sich wegen Mittellosigkeit vom Rundfunk-Zwangsbeitrag befreien lassen. Dann müssen Sie Kontoauszüge, Vermögenserklärung und -aufstellung, Krankenkassenbescheinigungen, Einkommensnachweise und Mietvertrag beibringen.
Ein Student aus Leipzig hat dies tatsächlich alles zusammengesammelt und fügte dem Härtefallantrag noch Bafög- und Studienbescheid hinzu. Das war Anfang 2020. Sage und schreibe über ein Jahr lang ignorierte der MDR den vollständigen Antrag und schickte weiter Mahnungen und Zahlungsaufforderungen, drohte sogar mit einem Zwangsverfahren.
Fürchtet der Sender etwa eine richterliche Klärung, die einen Präzedenzfall schaffen könnte?
Im Sommer 2022 berichtete die FAZ über den Fall, der sich immer weiterdrehte. Der Artikel erregte einiges Aufsehen. Selbst die Bundesbildungsministerin stärkte dem Studenten auf Twitter den Rücken. Dieser reichte schließlich eine Untätigkeitsklage gegen den Sender ein. Zunächst hörten die Mahnungen des MDR auf. Nach Angaben des Studenten habe der Sender angeboten, auf Säumniszuschläge zu verzichten, wenn der Antragsteller keine Verjährungsfristen geltend macht. Ein Vierteljahr später erklärte die Anstalt überraschend, auf die Rückstände von inzwischen 642,90 Euro zu verzichten.
Fürchtete der Sender etwa einen nachteiligen Verfahrensausgang vor dem Leipziger Verwaltungsgericht? Es sieht so aus. Denn die gerichtliche Klärung der Härtefallregelung hätte einen Präzedenzfall schaffen und die Anstalten unter Druck setzen können. Und so verweigerte der MDR auch die Auskunft, wie viele Anträge auf Erlassung in den letzten zehn Jahren gestellt und bewilligt wurden.
Weitere Anfragen der FAZ dazu im Mai dieses Jahres – inklusive einer Informationsfreigabe durch den Studenten – blieben unbeantwortet. Auf Nachhaken erklärte der Sender bockig, die Freigabe müsse handschriftlich im Original per Post statt per E-Mail zugestellt werden. Dafür gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage.
Sachsen-Anhalts Vize-Ministerpräsidentin Lydia Hüskens (FDP) kommentierte auf Twitter: „Solche Aktionen stärken die Zustimmung zum ÖR sicher nicht.“ Ganz gewiß nicht.