© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/23 / 23. Juni 2023

Heizhammer kommt später
Gebäudeenergiegesetz: Unverantwortlicher Zeitdruck und neue Scheinalternativen
Stefan Kofner

Die Ampelkoalition will die Heizkurve noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause kriegen und setzt dafür alle Hebel in Bewegung. Die Novelle das Gebäudeenergiegesetzes (GEG) soll nun doch bis zum 6. Juli im Eilverfahren durch den Bundestag gepeitscht werden. Wegen des selbst erzeugten Zeitdrucks wurde einfach die unveränderte Entwurfsfassung vom 17. Mai ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Diese wird ergänzt durch das vage „Leitplanken-Papier“, das den hart errungenen Kompromiß der Ampel enthält. Offenbar soll die Einarbeitung der Leitplanken in das Gesetz im laufenden Verfahren von den zuständigen Ausschüssen mit Unterstützung der Ministerialbeamten vorgenommen werden, während die Sachverständigen in der Anhörung noch darüber sinnieren dürfen, wie diese überhaupt zu verstehen sind.

Wasserstoff-Wärmewirtschaft erhöht den Stromverbrauch enorm

In diesen Leitplanken wird die Bedeutung der Wärmeplanung als Voraussetzung für verpflichtende Maßnahmen herausgestellt. Die Kommunen sollen insbesondere den Einstieg in die Wasserstoff-Wärmewirtschaft planen, also die Umrüstung der Erdgasnetze auf 100prozentigen Wasserstoffbetrieb, während die kommunalen Fernwärmenetze überhaupt nicht erwähnt werden. Die CO2-neutrale Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse setzt jedoch riesige Mengen an Wasser und Ökostrom voraus: 53 Kilowattstunden (kWh) pro einem Kilogramm Wasserstoff (H2) bei Umwandlungsverlusten von etwa 50 Prozent. Der nötige „grüne“ Strom kann natürlich nicht umsonst erzeugt und verteilt werden: Man denke an Abschreibungen, laufende Betriebskosten, Transportkosten des Stroms und externe Effekte des Bodenverbrauchs. Wegen der erhöhten Stromnachfrage durch Elektroautos und Wärmepumpen wird er auch zukünftig knapp sein.

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches rechnet mit Kosten von 30 Milliarden Euro für die Umrüstung des Gasnetzes auf H2-Betrieb. Zu ersetzen wäre laut Bundesnetzagentur ein Gasverbrauch von 847 Terawattstunden (TWh/2022). Davon gingen 58,6 Prozent an die Industrie und 41,4 Prozent an Haushalte und Gewerbe. Der knappe Wasserstoff wird daher vorrangig in der Stahl- und Chemiebranche eingesetzt werden und nicht zur Deckung des privaten Wärmebedarfs. Außerdem kann keine heutige Gasheizung zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden. Alle 6,5 Millionen Gasheizungen müßten ausgetauscht werden – das würde mindestens 130 Milliarden Euro kosten.

Der Heizkompromiß ist kein Grund zum Aufatmen. Für Neubaugebiete gelten die GEG-Regeln und der 65prozentige Anteil erneuerbarer Energien ab 2024. Die Regeln sollen zwar nicht mehr für den Heizungstausch im Bestand und für neue Wohngebäude außerhalb von Neubaugebieten gelten – aber nur übergangsweise, bis dann spätestens 2028 ein kommunaler Wärmeplan vorliegt. Bis dahin dürfen nur teure „H2-ready-Gasheizungen“ eingebaut werden. Diese gibt es aber noch gar nicht. Maximal 30 Prozent H2-Anteil sind derzeit erhältlich. Es ist unklar, ob mit „umrüstbar“ ein vollständiger oder teilweiser H2-Betrieb gemeint ist – damit droht das nächste Heizungschaos. Niemand kann heute wissen, wo in der Zukunft überhaupt ein H2-Anschluß örtlich verfügbar sein wird. Die kommunale Wärmeplanung muß dafür „verbindliche Fahrpläne mit verbindlichen und nachvollziehbaren Zwischenzielen“ vorlegen mit dem Endziel der Umstellung auf ein reines Wasserstoffnetz bis Ende 2045.

Holzheizungen sind nun weiterhin im Neubau erlaubt

Kommt das Wasserstoffnetz nicht, wird der Gasanschluß spätestens Ende 2044 abgeschaltet. Eventuell kann die umrüstbare Gasheizung dann mit Biomethan weiterbetrieben werden, oder mit Wasserstoff, der in einem Tank vor dem Haus gelagert wird. Die H2-ready-Gasheizungen dürfen zudem nur verkauft werden, wenn der Wärmeberater auf die Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und ihre mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist. Darüber hinaus wird es entsprechende Aufklärungskampagnen über die CO2-Bepreisung und das Klimaschutzgesetz geben. Außerdem sollen gemäß den Leitplanken die Bedingungen zur Erreichung des 65-Prozent-Ansatzes für Neubau und Bestand „überarbeitet“ werden. Nicht näher bezeichnete „unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben“ sollen gestrichen werden.

Gute Nachrichten gibt es für die Waldwirtschaft: Heizungen, die mit Holz oder Pellets betrieben werden, erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe nunmehr ausnahmslos. Damit wären auch im Neubau weiter reine Biomasse-Heizungen erlaubt. Zu dem zentralen Aspekt der Kostenverteilung in der Mieter-Vermieter-Beziehung gibt es leider nur grob skizzierte Ideen: Die Förderkulisse soll anreizgerecht weiterentwickelt werden. Außerdem denkt man an eine „zweite Modernisierungsumlage“ nur für die klimafreundliche Heizung, die nur erhoben werden darf, wenn der Vermieter die entsprechende Förderung nutzt und damit die Umlage für den Mieter entsprechend senkt. Dazu müßte die Förderung allerdings als Rechtsanspruch ausgestaltet sein.

Die Privathaushalte sollen durch die erzwungenen Neuinvestitionen nicht überfordert werden. Eine paßgenaue Bundesförderung soll „die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft“ berücksichtigen. Ausnahmeregelungen sollen überarbeitet und plausibler gestaltet werden. Die Abgeordneten sollen nun also diese fundamentale GEG-Novelle im Eilverfahren beschließen und sie ganz nebenbei in wesentlichen Punkten an die unklaren „Leitplanken“ anpassen, obwohl die flankierenden Änderungen bei der Förderung und im Mietpreisrecht nur in vagen Umrissen angedeutet sind.

Inhaltlich wird die Novelle zwar zeitlichen Aufschub bringen, aber man kann eigentlich niemandem dazu raten, sich eine auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizung anzuschaffen, bevor ein verbindlicher Wärmeplan vorliegt, der die Verfügbarkeit des Brennstoffs sicherstellt. Bleibt nur zu hoffen, daß die alte Heizung noch so lange durchhält.

Erläuterungen der Bundesregierung zum GEG: www.energiewechsel.de