Die EZB erhöht den Leitzins von 3,75 auf vier Prozent, bei der US-Zentralbank Fed bleibt es bei 5,00 bis 5,25 Prozent. Steht also eine Zinswende bevor? Christine Lagarde spricht von einem „Weg“ und einer weiteren Erhöhung im Juli. Fed-Chef Jerome Powell spricht von zwei weiteren Zinserhöhungen in diesem Jahr. Das überraschte den Markt, weil die Erwartung der Fed für die Inflation nur von 3,6 auf 3,9 Prozent stieg, die Erwartung für den Höchststand der Zinsen aber von 5,1 auf 5,6 Prozent stärker zunahm. Längerfristig sollen die Zinsen wieder sinken, nach 2026 auf 2,5 bis 3,5 Prozent. Zehnjährige US-Staatsanleihen liegen mit 3,75 Prozent Rendite bereits grob auf diesem Niveau, zweijährige hingegen deuten mit 4,70 Prozent auf Erwartungen von baldigen Zinssenkungen hin.
Weshalb angesichts solcher Vorhersagen jetzt eine Pause statt weiterer Erhöhung kommt, läßt Beobachter rätseln: „Wenn Sie das nicht verstehen, liegt es daran, daß Sie hingehört haben“, spöttelte ein Analyst. Die raschen Zinserhöhungen sind für die jüngste Bankenpanik verantwortlich. Eine Zinspause ändert an deren Problemen in den Bilanzen nichts. Vielleicht wollte Powell nur den Druck bei seinem halbjährlichen Auftritt im US-Kongreß reduzieren. Auch das Risiko eine Fehlers steigt: Bleibt die Inflation hoch, muß die Fed noch stärker erhöhen. Wird sie aber die Zinsen senken, verwirrt sie Anleger um so mehr, nachdem sie gerade erst ein höheres Zinsziel ausgegeben hat. Powell machte in der Fed-Pressekonferenz einen vielsagenden Versprecher: Erst sprach er von „Pause“, korrigierte sich dann aber und sagte, die Zinserhöhung sei „übersprungen“ worden.
Das wird als Indiz gewertet, daß viele Fed-Gouverneure weiter erhöhen wollten und ein Kuhhandel zur Pause führte. Er darf die Zinspause nicht so nennen, weil es weitergehen soll. Muß die Fed die Risiken von Bankenkrise und einer Rezession berücksichtigen, hat die EZB auch den hohen Staatsschuldenstand der Euro-Südländer zu berücksichtigen. Zumal Deutschland in der Rezession steckt (JF 24/23). „Zu lange zu hoch“ werde die Inflation in der Eurozone bleiben, warnte Lagarde, ohne einzugestehen, daß es ihre eigene Schuld ist, weil Zinsen zu lange zu niedrig waren. In der Eurozone werden bis Ende September zwei weitere Zinserhöhungen erwartet. In Großbritannien werden in diesem Jahr sogar vier weitere Erhöhungen erwartet – bis zu einem Höchststand von 5,75 Prozent, also sogar über US-Niveau.
In Australien und Kanada haben die Zentralbanken nach kurzer Pause wegen der Inflation mit Zinserhöhungen weitergemacht. Alle Augen sind auf die Inflation gerichtet. An den Bankenzusammenbrüchen und auch dem Crash des britischen Pfunds 2022 sieht man jedoch, daß das außergewöhnliche Tempo der Erhöhungen ungeahnte Nebenwirkungen haben kann. Optimisten sprechen von einer weichen Landung für die Wirtschaft – einer erfolgreichen Bekämpfung der Inflation, ohne daß eine Rezession ausgelöst wird. Beunruhigend ist, daß dieses Szenario die positivste Vorhersage ist, die man derzeit findet. Wenn also alles wie am Schnürchen läuft, werden wir lediglich mit Nullwachstum belohnt.
Wahrscheinlicher ist, daß die Inflation – wie in den 1970er Jahren nach der Ölkrise – in mehreren Wellen auf hohem Niveau schwankt, während die Zentralbanken sich von der Inflationsbekämpfung verabschieden, weil sie mit Zinssenkungen auf eine Rezession reagieren müssen.