Die aktuelle Ausgabe (Nr. 4, Juni/Juli 2023) des „Magazins für neue Sachlichkeit“ Cato befaßt sich in ihrem Schwerpunktthema mit der Endlichkeit alles Irdischen. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz geht der Frage nach, warum hierzulande seit vielen Jahren Christen den großen Kirchen hunderttausendfach den Rücken kehren. Bolz analysiert dafür vielfältige Gründe, von den Mißbrauchsskandalen, der Ersparnis der Kirchensteuer bis zu einer Glaubensunfähigkeit, die in vielen Fällen auch zum Atheismus führe. Die Kultur behalte jedoch ihre christlichen Wurzeln, selbst wenn immer mehr Taufschein-Christen indifferent würden. Doch auch hier sei die Krise größtenteils hausgemacht: „Die Kirchentage unterscheiden sich nur noch in Nuancen von den Parteitagen der Grünen.“ Zudem sei in letzter Zeit auch noch ein „Wokewashing“ hinzugekommen, seit die Kirchen sich als „Lautsprecher einer Tyrannei der Wehleidigen“ gerierten und das Kreuz inflationierten. Statt des christlichen Naturrechts, das den Wahrheitsanspruch von Rechtsnormen impliziere, sei heute nur das Bekenntnis zu den Grundrechten und „Grundwerten“ als Dogma der Zivilreligion, einer Schwundstufe des Christentums, übriggeblieben.
Andreas Kinneging, Ordinarius für Rechtsphilosophie, untersucht in seinem Beitrag „Hochmut kommt vor dem Fall“ die vier Stammlinien des Konservatismus, von Machiavelli und Hobbes über Hume und Burke bis Adam Smith und Ricardo und als älteste Linie jene von Platon und Augustin. Während die erste Stammlinie als größte Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens, der Sicherheit und Freiheit die Idealisten aller Art definiere, da diese Unmögliches verwirklichen wollten, lege die zweite Linie den Fokus auf den Gegensatz von Tradition und Revolution. Die dritte Stammlinie rücke die Marktmechanismen in den Vordergrund, wobei der Staat eine entscheidende, aber begrenzte Rolle spiele. Für die vierte Linie, den ältesten Zweig der Familie, stehe die Idee des Guten, mal als Gott, mal als ewiges Gesetz (lex aeterna) im Mittelpunkt. Dies bedeute keine zu hohen Erwartungen an das irdische Dasein zu haben. Der Autor erkennt bei den vier Stammlinien „erhebliche Differenzen“, doch wiesen sie alle eine gewisse Ähnlichkeit auf: die Überzeugung, daß der Hochmut und das moralische und geistige menschliche Defizit der Menschheit weit mehr Elend bescherten „als die Götter ihr vorbestimmt hatten.“ Die vierte Stammlinie habe also das letzte Wort.
Weitere Beiträge befassen sich mit Otto von Habsburg, dem 17. Juni 1953, einer Erinnerung an das konservative Theorieorgan Criticón und „Wissenschaft als Geschichte“ (Ernst Peter Fischer).
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