Dieses Mal hat er es nicht geschafft: Seine Krankheit Leukämie konnte er nicht besiegen. Silvio Berlusconi ist tot. Er starb am Montag dieser Woche im Alter von 86 Jahren im Mailänder San-Raffaele-Krankenhaus. Mit dem Unternehmer und Politiker verliert Italien einen der wichtigsten und schillerndsten Akteure der jüngsten italienischen Geschichte: Er war mächtiger Bauunternehmer, Besitzer und Präsident des Fußballvereins AC Mailand, Freimaurer, Fernsehmogul, Zeitungsbesitzer, Gründer der Partei Forza Italia (FI) und viermal italienischer Ministerpräsident.
„Silvio Berlusconi war vor allem ein Kämpfer, ein Mann, der sich nie scheute, für seine Überzeugungen einzustehen, und genau dieser Mut und diese Entschlossenheit haben ihn zu einem der einflußreichsten Männer in der Geschichte Italiens gemacht“, erklärte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in einer Videobotschaft und würdigte seine „echten Durchbrüche in der Welt der Politik, der Kommunikation und der Wirtschaft“.
„Wir werden die Energie und Hingabe nicht vergessen, mit der er sich für sein geliebtes Italien, für seine politische Familie und seine europäischen Ideale eingesetzt hat“, betonte Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament, der auch die FI angehört.
Berlusconi war es, der in den vergangenen Jahrzehnten die italienische Politik lenkte. Er war ein enger Vertrauter von Wladimir Putin, den er noch im Oktober 2022 als „einen Menschen des Friedens und der Vernunft“ bezeichnete, schloß Freundschaft mit George W. Bush und soll schon mal Angela Merkel als „unbrauchbaren Hintern“ bezeichnet haben – was er später als „Erfindung“ zurückwies. Er war Multimilliardär und er wurde von der Justiz jahrzehntelang verfolgt. Knapp 800 Millionen Euro zahlte er an seine Anwälte. Er wurde zur Haßfigur der Linken schlechthin, vor allem natürlich der italienischen. Berlusconi, ein Mann, der mit seinem persönlichen Charme selbst seine Feinde in Bann schlug und angeblich zig Frauen auf seinen Festen und Partys beglückt haben soll.
An seiner Aufstiegsgeschichte, die in höchste Höhen führte, werden die Historiker noch lange zu rätseln haben. So zum Beispiel, warum Berlusconis Populismus just auf eine so schwache italienische Demokratie traf und wie ein Medienmogul sich in der Politik durchsetzte
Fast dreißig Jahre bestimmte er die italienische Politik immer führend mit. Gerade hat Berlusconi noch miterlebt, daß das Mitte-Rechts-Bündnis unter der Führung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach Siegen in Latium, der Lombardei nun auch die dritte Regionalwahl im italienischen Friaul-Julisch-Venetien mit 64,2 Prozent gewonnen hatte. Die Linken fielen auf 28,4 Prozent. Auch die neugewählte sozialdemokratische Parteichefin Elly Schlein konnte keinen Auftrieb geben.
Silvio Berlusconi wurde am 29. September 1936 in Mailand geboren. Sein Vater war Bankangestellter, seine Mutter Rosa war Hausfrau und beherrschende Figur in der Familie. Er hatte noch eine jüngere Schwester Antonietta und einen Bruder Paolo. Der junge Berlusconi besuchte die Schule der Salesianer, das Sant-Ambrogio-Internat bis zum Abitur. Trotz strenger katholischer Erziehung wurde Berlusconi nie Mitglied der Democrazia Cristiana, wie Giulio Andreotti oder Aldo Moro. Er blieb laizistisch. Sein bester Schulfreund war Fedele Confalonieri, beide lieben Musik und spielten in Nachtclubs. Berlusconi trat auch während seines Studiums an der Uni Mailand, wo er seinen Abschluß in Jura machte, als Entertainer bei Kreuzfahrten auf.
Im Zug des Wirtschaftswunders in den 1960er Jahren bot sich Mailand geradezu als idealer Standort an. Berlusconi ergriff seine Chance und ging in die Bauwirtschaft, wo er schnell reüssierte. Sein größtes Projekt entstand in den Boom-Jahren 1970 bis 1979 vor den Toren der Stadt. Segrate (Milano 2) ist noch heute ein Vorzeigeobjekt in der Mailänder Vorstadt. Fußgängerwege und Radwege, eine große Piazza, eine Kirche und ein Hotel. Wohnpalazzi mit Grünflächen und einem künstlichen See. Zur Unterhaltung diente den Bewohnern das Fernsehen. Für die Hausfrau im Grünen mußten vor allem Fernsehfilme zur Unterhaltung tagsüber her. Entsprechend kaufte Berlusconi, der die Lizenz für einen Kanal gegenüber den staatlichen Kanälen hatte, amerikanische Unterhaltungsfilme en masse ein. Er setzte voll auf die Boulevardisierung.
Oberstaatsanwalt Borelli war Grund für Berlusconis Politkarriere
Nun gab es keine Trennung mehr zwischen öffentlichem und privatem Fernsehen. Damit durchbrach er alle bisherigen Grenzen. Das war neu im Lande. Und mit den seichten Unterhaltungsfilmen traf er genau den Geschmack der Verbraucher, vorwiegend der Hausfrauen, die während des Tages schauten. Berlusconis späteres Fernsehimperium wurde hier geboren. Und er hatte Riesenerfolg gegenüber dem eher langweiligen politisierten meist linken staatlichen Programm.
Nach dem Projekt Milano 2 folgte Milano 3. Das Baugeschäft boomte. Bis heute ist nie restlos geklärt worden, woher das Geld stammte. Immer wieder wurde gemutmaßt, hier betreibe die Mafia Geldwäsche. Denn zu Beginn der 1960er Jahre hatte die Cosa Nostra im Drogenhandel das Monopol.
Berlusconi hatte inzwischen Carla Lucia Dall’Oglio geheiratet, mit der er zwei Kinder hat: Marina und Pier Silvio. Beide sind heute in seinem Imperium fest verankert, scheinen die Geschäftstüchtigkeit ihres Vaters geerbt zu haben.
Mit 44 Jahren verliebte sich Berlusconi in eine junge kurvenreiche Schauspielerin namens Veronica Lario aus dem Mailänder Teatro Manzoni, das Berlusconi dann auch gleich kaufte. Aus dieser Romanze wurden drei Kinder – Barbara, Eleonora und Luigi – geboren. Später willigte seine Frau in die Scheidung ein, zog nach London. Nie hat sie ein böses Wort über ihren Ex-Ehemann verloren; der Kontakt hielt bis zum Schluß.
Veronica, die zweite Ehefrau, lebte bis zu ihrer Millionen-Scheidung vor den Toren Mailands. Sie mied die Mailänder Salons und später die römischen Zirkel. Ihre drei Kinder wurden in einer Steiner-Schule erzogen. In dem Park von Arcore gab es viele Tiere: Pferde, Esel, Kaninchen, die reinste Idylle – und kein Fernsehen. Veronica weigerte sich von Anfang an, als Berlusconi in die Politik ging, zu repräsentieren. In der Politik gab sie sich eher links. Später genervt durch die vielen Frauengeschichten, ließ sie sich von Berlusconi scheiden mit der höchsten Abfindungssumme, die je ein Gericht verhängt hatte. Es geht bis jetzt noch um Millionen, die sie zurückzahlen soll. Heute lebt sie in der Schweiz.
Diese persönliche Niederlage im eigenen Haus hat Berlusconi nie verwunden. Anfang der 1990er Jahre schien er auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Medienzar. Er hatte die Monopolstellung im Kommerzfernsehen. Hinter den Kulissen half er den Christdemokraten unter Giulio Andreotti und den Sozialisten unter Bettino Craxi.
Doch dann wandelte sich die italienische politische Landschaft quasi über Nacht. Ein übereifriger Oberstaatsanwalt – Francesco Saverio Borelli – startete die Kampagne „Mani pulite“ (Saubere Hände). Es war ein Kampf gegen die vorherrschende Korruption, der bis heute andauert. Wie ein Sturm wurde die bisherige politische Landschaft aufgerüttelt und die Parteien hinweggefegt. Wäre Borelli, mit dem er einen jahrelangen Kleinkrieg führte, nicht gewesen, Berlusconi wäre sicher nie in die Politik gegangen. Doch nun wollte er: Es ging um sein Imperium, um seinen Sender, um alles, was er retten und sanieren mußte. Mit dem Fußball-Schlachtruf „Forza“ gründete er seine neue rechte Partei Forza Italia. Und die Wähler liefen ihm – trotz Verurteilung wegen Steuerbetrugs im Jahr 2013 – in Scharen zu.
Nach dem politischen Aufstieg kam der moralische Niedergang
Seine Partei erreichte die höchsten Wählerquoten, das Land lag ihm zu Füßen. Mit dem steilen politischen Aufstieg begann auch der moralische Abstieg Berlusconis. Vor dem Palazzo Grazioli in Rom drängten sich Väter und Brüder, um eine Stelle für ihre hübsche, junge Tochter beziehungsweise Schwester zu ergattern. Denn Berlusconi war grenzenlos großzügig, und Veronica war fern. Die internationale politische Clique feierte Feste in seinen Villen auf Sardinien oder in Cortina (berühmt als „Bunga-Bunga“). Alle profitierten. Doch die italienische Justiz (vorwiegend bis heute links orientiert) ruhte nicht. Berlusconi wurde jahrzehntelang mit Prozessen überzogen. Immer ging es um pikante Ermittlungen, und nahezu immer wurde er freigesprochen, allerdings mitunter nach Jahren.
So wurde Berlusconi Mitte Februar im Ruby-III- Prozeß vom Vorwurf der Bestechung von Zeugen freigesprochen, die über seine berüchtigten „Bunga-Bunga“-Partys gelogen hatten. In mehreren Prozessen war Berlusconi beschuldigt worden, in einem früheren Verfahren Zeugen bestochen zu haben, damit sie lügen. „Ich bin nach mehr als elf Jahren Leid, Schlammschlacht und unkalkulierbarem politischen Schaden endlich freigesprochen worden, weil ich das Glück hatte, von Richtern beurteilt zu werden, denen es gelungen ist, angesichts der unbegründeten Anschuldigungen, die gegen mich erhoben wurden, unabhängig, unparteiisch und korrekt zu bleiben“, freute sich der 86jährige Vorsitzende der Mitte-Rechts-Partei Forza Italia (FI) auf Facebook. Italiens Außenminister Antonio Tajani fügte hinzu, daß der Prozeß „ein Komplott gegen Berlusconi“ gewesen sei. Nach dem Urteil forderte der FI-Fraktionsvorsitzende Alessandro Cattaneo die sofortige Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission über die politische Nutzung der Justiz, um Licht in die 25 Jahre gerichtlicher Kämpfe zu bringen, die als „Waffe des politischen Kampfes eingesetzt“ worden seien.
Trotz dieser niederschmetternden Vorwürfe ließ sich das italienische Wahlvolk nicht beeindrucken: Berlusconi wurde insgesamt viermal zum Ministerpräsidenten von Italien gewählt. Auch in Brüssel gewann er bei den Europawahlen 2004. In Italien gelten Populismus und Privilegien nicht unbedingt als verabscheuungswürdig. Noch heute spricht man von einem „Putsch“, als 2011 Mario Monti vom Staatspräsidenten zum Ministerpräsidenten ernannt wurde und Berlusconi abtreten mußte. Doch wann immer er auch auftrat, jubelten ihm die Menschen zu. Er schlug sie noch immer in Bann.
Seine Gefährtin der letzten Jahre war die blonde 33jährige Abgeordnete von Forza Italia, Marta Fascina, die mit Berlusoni skandalfrei zusammenlebte.