Der einstige Krypto-Saubermann ist offenbar nicht ganz koscher. Eine Klage der US-Wertpapieraufsicht SEC macht dem Kanadier Changpeng Zhao („CZ“) jetzt die gleichen Vorwürfe, die zum Zusammenbruch der Kryptobörse FTX (JF 48/22) geführt hatten. Keine 24 Stunden nach der Klage gegen CZ und seine Kryptobörse Binance nahm sich die SEC dann auch noch Coinbase vor. Damit ist klar, was viele schon länger befürchten: Die US-Regierung will Kryptowährungen den Garaus machen. Doch weil sich dafür keine Mehrheit im Kongreß findet, versucht es die Regierungsbürokratie durch die Gerichte, indem bestehende Gesetze neu „interpretiert“ werden. Nach diesem Muster versuchen Joe Bidens Leute bereits das Kartellrecht umzubauen – bisher allerdings erfolglos, die Gerichte halten am jahrzehntealten Konsens fest. Lina Khan, seit 2021 Chefin der Kartellbehörde FTC, verliert einen Prozeß nach dem anderen.
Die Woke-Kultur definiert bereits Biologie und Mathematik um. Jetzt erreicht sie das Wirtschaftsrecht. Im US-Kongreß gab es erste Stimmen, die das Vorgehen der SEC kritisierten. Coinbase kündigte an, mit Lobbyarbeit für eindeutige Kryptogesetze zu beginnen. Die SEC-Klagen beruhen auf zwei Säulen: Bei Kryptowährungen handele es sich um Wertpapiere, die ohne die notwendige Zulassung öffentlich vertrieben wurden. Und die Kryptofirmen seien Börsen ohne Börsenzulassung. Beide Argumente sind fadenscheinig. Die SEC stuft Bitcoin als Währung ein, die keine Zulassung braucht. Alle anderen Kryptowährungen seien Wertpapiere, die eine Zulassung benötigen. Logik ist wohl nicht die Domäne von Bürokraten und Juristen. Die Behauptung, daß die Kryptofirmen Börsen ohne Genehmigung betrieben, ist auch fragwürdig. Denn die SEC genehmigte 2021 den Börsengang von Coinbase. Auf 849 Seiten beschreibt der damalige Wertpapierprospekt das Geschäftsmodell in allen Details. Wäre es illegal gewesen, hätte die SEC die Börsennotierung der Coinbase-Aktien nicht erlauben dürfen.
Das deutet auf eine neuere Uminterpretierung der Vorschriften, auf der die Klage der SEC beruht. Pikanter sind die Vorwürfe der SEC zum Umgang mit Kundengeldern. Beim Bankrott von FTX war es die Entwendung und Vermischung der Kundenvermögen mit den eigenen Mitteln der Kryptobörse, die das Schicksal von FTX und Firmenchef Sam Bankman-Fried besiegelte. Jetzt werden die gleichen Vorwürfe gegen Binance und Coinbase erhoben, und schon zeichnet sich eine ähnliche Anlegerpanik wie bei FTX ab: in den ersten 24 Stunden nach der Klage zogen Anleger 800 Millionen Dollar von Binance ab. Durch die SEC-Klage verunsicherte US-Banken haben ihre Geschäftsverbindungen mit Binance aufgekündigt. Für die Binance-Kunden bedeutet dies, daß sie ihre Einlagen nicht mehr in Dollar ausgezahlt bekommen können. Nur noch ein Tausch zwischen unterschiedlichen Kryptowährungen ist möglich. Das ist aber nicht mehr als eine enge Marktnische. Das US-Kundengeschäft von Binance ist vorläufig am Ende.
Allerdings können Kunden außerhalb der USA weiterhin Binance nutzen. Der Multimilliardär CZ lebt seit 2022 in Dubai. Hongkong will künftig zu einem Zentrum der Kryptobranche werden und vergibt neue Lizenzen für Anbieter. Das ist eine dramatische Kehrtwende gegenüber 2017, als Peking anfing, die Branche schrittweise trockenzulegen. Hongkongs Öffnung wird als Experiment für eine Umkehr Chinas bei der Kryptoregulierung gewertet.