© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/23 / 16. Juni 2023

„Verbote, die dem Klima nichts bringen“
Schweiz: Die Eidgenossen dürfen abstimmen, ob sie auf Heizöl, Gas, Diesel und Benzin verzichten möchten
Fabio Collovati

Die Stromversorgung und den Wohlstand aufs Spiel setzen mit Verboten, die dem Klima nichts bringen? Geht es nach dem  Schweizer Nationalrat Piero Marchesi, können die Eidgenossen am 18. Juni über das Klimaschutzgesetz, mit dem der Ausstieg aus der fossilen Energie gefördert werden soll, mit Nein stimmen. „Die Schweiz ist nur für 0,1 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, ein verschwindend kleiner Anteil. Und selbst bei den Pro-Kopf-Zahlen gehört unser Land zu den besten weltweit: Mit vier Tonnen pro Jahr ist der Ausstoß pro Person niedriger als jener unserer Nachbarländer Italien (5,41 Tonnen) oder Österreich (7,5 Tonnen).“ Auch Spanien habe einen höheren Ausstoß (4,99 Tonnen), so der Tessiner.

 Bis 2050 will die Schweiz laut Regierung klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine Vielzahl von Maßnahmen. Das geplante Gesetz sieht vor, private Hausbesitzer, die ihre alten Gas-, Öl- oder Elektroheizungen durch eine klimaschonende Alternative ersetzen, mit insgesamt zwei Milliarden Franken zu unterstützen. 

Die einzige große Partei, die sich gegen das Klimaschutzgesetz stemmt, ist die rechts-bürgerliche  SVP. Für die stärkste Partei der Schweiz ist die Vorlage ein „Stromfresser-Gesetz“, das Heizöl, Benzin, Diesel und Gas verbiete und die Natur mit Solarpanels und Windkraftturbinen zupflastere. Trotzdem würde die Versorgung im Winter bei weitem nicht reichen, argumentiert die SVP. Der Partei ist es gelungen, über 100.000 Unterschriften zu sammeln und somit mehr  als doppelt so viele wie erforderlich, um eine Volksabstimmung nötig werden zu lassen. 2019 wurde die Volksinitiative „Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)“  eingereicht. Mit der Initiative wäre der Verbrauch von Öl, Benzin, Diesel und Erdgas ab dem Jahr 2050 verboten worden. Bundesrat und Parlament ging das zu weit. 

Das Parlament hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Das „Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit“ wurde vom Nationalrat mit 139 Ja-Stimmen gegen 51 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen. Im Nationalrat stimmte lediglich die SVP geschlossen dagegen und kündigte folglich eine Volksbefragung an. 

Die Schweiz importiert rund drei Viertel ihrer Energie. Fossile Energieträger wie Heizöl, Benzin, Diesel und Erdgas stammen vollständig aus dem Ausland. Dem SVP-Protest gegen das „Stromfresser-Gesetz“ haben sich mittlerweile mehr als ein Dutzend Initiativen und Organisationen angeschlossen, darunter Immobilienverbände und Grundbesitzer. „Obwohl wir heute schon zu wenig Strom haben, bedeutet dieses extreme Gesetz ein faktisches Verbot von Heizöl, Gas, Diesel und Benzin. Das sind 60 Prozent unseres Energieverbrauchs. Heizen und Autofahren wären nur noch elektrisch möglich. Und das ohne Plan, wie genug bezahlbarer Strom für die elektrischen Autos, Wärmepumpen etc. produziert werden soll“, argumentieren die Gesetzesgegner. 

Die SVP argumentiert zudem, daß die Vorlage kontraproduktiv sei: „Das Gesetz würde dazu führen, daß sich der Stromverbrauch in der Schweiz gegenüber heutigen Werten fast verdoppelt. Dies hätte eine Preisexplosion zur Folge, die insbesondere dem Mittelstan,. der Landwirtschaft und dem Gewerbe schaden würde.“

SVP-Sprecher Michael Graber glaubt zudem, daß die Schweiz ohne dieses Gesetz besser fahre: „Der Anlaß für dieses Gesetz war eine Volksinitiative von extremen, links-grünen Kreisen.“ Daß die Gletscher-Initiative zurückgezogen wurde, zeige eindrücklich, auf wen das Parlament bei der Ausarbeitung der Vorlage Rücksicht genommen hatte.