Wenn anläßlich des Jahrestags der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche an die Wurzeln unserer Rechts- und Verfassungsordnung erinnert wird, dann gilt vielen Politikern, Journalisten und sogar manchen Historikern die Erwähnung der Burschenschaften als längst nicht mehr opportun. Dabei gehörte 1848 eine stattliche Anzahl der rund 600 Abgeordneten einer dieser national-freiheitlichen Korporationen an. Allein 26 stammten aus der Jenaischen Urburschenschaft, 24 aus Bonn, 21 aus Heidelberg, 20 aus Tübingen, 15 aus Erlangen, 13 aus Berlin, 11 aus Halle und zehn aus Göttingen – um nur eine Auswahl zu nennen. Darunter Prominente wie Robert Blum und Johann Georg Wirth oder Parlamentspräsident Heinrich von Gagern.
Mit einer gewissen Berechtigung können daher 175 Jahre später Burschenschafter dieses Engagements gedenken – und zwar am originalen, historischen Schauplatz. Doch dem werden seitens der Stadt Frankfurt am Main nun Steine in den Weg gelegt. Dieses Wochenende wollen die Allgemeine Deutsche Burschenschaft (ADB) und der Konvent Deutscher Akademikerverbände (CDA) mit mehreren Veranstaltungen das Paulskirchen-Jubiläum begehen.
Antifa: „Wir werden den Burschis den Tag versauen“
Zum Programm gehört neben einem Symposium und einem Festkommers auch ein Festakt am Sitz der damaligen Nationalversammlung. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte der CDA eine Mietanfrage an die Stadtverwaltung gestellt. Genehmigen muß eine solche Vermietung für Veranstaltungen der Magistrat. Bis dahin wird nur eine unverbindliche Raumreservierung vorgenommen – eine sogenannte Protokoll-order. Im Frühjahr hat das Rechtsamt der Stadt Frankfurt festgestellt, daß der Akademikerverband einen Anspruch darauf hat, die Veranstaltung in der Paulskirche abhalten zu dürfen, weil sie im Einklang mit den entsprechenden Statuten steht.
Wie üblich ließ der Protest von Linksaußen gegen einen Festakt der Korporationen nicht lange auf sich warten. Der AStA der Universität, die Grüne Hochschulgruppe, Linke Liste und diverse Antifa-Gruppen mobilisieren seit Wochen. Die Veranstalter des Festakts seien keine „harmlosen Akademiker“, sondern „rechtsnationale Männerbünde“, die „hierarchisch organisiert toxische Männlichkeitsrituale praktizierten“. Es sei „ein Unding, wenn diese rechten Burschenschaften auch noch die Paulskirche für ihren Festakt nutzen können“, heißt es in einem Aufruf, der kein Hehl aus dem Ziel macht: „Wir werden den Burschis den Tag versauen!“
„Das Bekenntnis zum Grundgesetz reicht nicht“
Und so sah sich der Magistrat, also die Stadtregierung aus Grünen, SPD, FDP und Volt, offensichtlich in einer Zwickmühle: Einerseits hat der CDA einen Rechtsanspruch, die Paulskirche zu mieten, andererseits will man sich nicht dem Vorwurf in den eigenen Reihen aussetzen, man überlasse diesen symbolträchtigen Ort „den Rechten“.
Als Lösung schien sich die bewährte Hinhaltetaktik anzubieten. Der Magistrat stimmte schließlich für die Vermietung – unter der Maßgabe, daß „Personen und Gruppen, die vom Verfassungsschutz des Bundes und der Länder beobachtet werden beziehungsweise demokratiefeindliche Haltungen vertreten, von der Veranstaltung ausgeschlossen“ werden. Vom Veranstalter forderte die Stadt eine Liste aller Teilnehmer, der längst überfällige unterschriebene Mietvertrag lag dem CDA noch bis zum Beginn dieser Woche nicht vor, obwohl der den Mietzins bereits überwiesen hat.
Dieses Hin und Her, die lange Unsicherheit noch wenige Tage vor der geplanten Veranstaltung bringen die Akademikerverbände natürlich in Schwierigkeiten: Wer sagt schon gerne für einen Festakt zu, von dem nicht klar ist, ob er überhaupt stattfinden darf. Und unabhängig von Fragen des Datenschutzes ist die Vorlage einer kompletten Teilnehmerliste gar nicht möglich, da sich bei Veranstaltungen von Korporationen in der Regel nicht Einzelpersonen, sondern Bünde oder Vereinigungen stellvertretend für ihre Mitglieder anmelden.
Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), die ursprünglich einen Wortbeitrag beim geplanten Festakt von ADB und CDA zugesagt hatte, fordert nun eine Änderung der Paulskirche-Statuten. Es brauche „verläßliche Vergaberichtlinien, die solche Veranstaltungen in Zukunft versuchen zu verhindern“, teilte sie auf der offiziellen Seite der Stadt Frankfurt mit. Für sie sei es „schwer zu ertragen, daß rechtsgerichtete Männerbünde die Paulskirche für sich nutzen wollen“, ist die Politikerin überzeugt. Ihr Vorwurf an die Veranstalter. „Revanchismus, historische Verstrickung in den Nationalsozialismus, Seilschaften mit den neuen Rechten und völkische Ideologie“. Und die Bürgermeisterin macht klar: „Das Bekenntnis zum Grundgesetz allein reicht nicht. Demokratie muß antifaschistisch sein.“ Mittlerweile hat sie eine Rede auf der Kundgebung der linksradikalen Gegenveranstaltung angekündigt.