© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/23 / 16. Juni 2023

Ländersache: Bayern
Gesetze will Bayern am besten können
Paul Leonhard

Es war zu erwarten. Wütend ist das Team von Radentscheid dennoch. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat vergangene Woche ihr Volksbegehren „Radentscheid Bayern“ für nicht zulässig erklärt. Der vorgelegte Gesetzesentwurf für ein Bayerisches Radgesetz berühre straßenverkehrsrechtliche Aspekte, sagte Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler, welche durch die Gesetzgebung des Bundes bereits abschließend geregelt seien und in dessen Gesetzgebungskompetenz das Begehren eingreifen würde. Das Volksbegehren könne auch nicht teilweise zugelassen werden, da derart viele der Vorschläge gegen die Bayerische Verkehrsordnung verstoßen würden, daß eine Zulassung ohne sie „das Anliegen“ in einem „grundlegenden Baustein substantiell“ entwerten würde, heißt es in der Urteilsverkündung. 

Ähnlich hatte bereits das Innenministerium argumentiert. Ministerpräsident Markus Söder legte auf der Internetplattform Twitter nach: „Gesetze können wir am besten“. Ziel des Gesetzes, über das die Bayern per Volksbegehren entscheiden sollten, war es, den Anteil des Radverkehrs im Freistaat zu erhöhen. Bis 2030 sollte dieser auf 25 Prozent am Gesamtverkehr erhöht werden. Zudem fordert das Bündnis einen Ausbau von Radwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch sollte der große Sanierungsstau bei der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur behoben werden. Speziell für die ländliche Region sollte die Radinfrastruktur und die Radmitnahme verbessert, Einbahnstraßen und Sackgassen für Radfahrer durchlässig werden. 

Zur Erreichung seiner Ziele hatte das Bündnis Spenden eingesammelt und Demonstrationen abgehalten. Auch ein Kampagnenvideo wurde im Internet veröffentlicht, in dessen etwa zweiminütiger Handlung die zehnjährige Radfahrerin Leonie nur knapp einem Autounfall entgeht. Im Zuge der Initiative Kidical-Mass, bei der sich vom 5. bis zum 7. Mai weltweit Zehntausende Kinder auf die Räder schwangen, um für sichere und fahrradfreundliche Schulwege zu werben, verband sich die Kampagne unter anderem in München, Ingolstadt, Schweinfurt, Memmingen oder Forchheim mit dem Radentscheid Bayern. Vertreter der SPD, der Grünen, der Linkspartei, der CSU und der Ökologisch-Demokratischen Partei unterstützten das Bündnis. Letztlich sorgte die Initiative, die für das Volksbegehren bis Herbst mehr als 100.000 Unterschriften viermal so viele wie nötig sammelte, für so viel Druck, daß CSU und Freie Wähler, die derartiges bis dahin noch vehement abgelehnt hatten, mit einem eigenen Radgesetzentwurf überraschten. 

Immerhin 1.500 Kilometer neue Radwege bis 2030 wurden in diesem als Ziel formuliert.  Aber das seien lediglich 91 Meter pro Jahr und Kommune, betonte die Beauftragte des Volksbegehrens, Bernadette Felsch. Das reiche nicht aus, um „rasch ein bayernweites Radwegnetz zu schaffen und den Radverkehrsanteil spürbar zu erhöhen“. Nach der gerichtlichen Ablehnung des Entscheids bekennt sich nun Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu den Zielen der Initiatoren: „Bayern ist ein Radland, und wir werden den Radverkehr deutlich attraktiver und vor allem auch sicherer machen.“