Svenja Schulze hat eine jahrzehntelange NRW-Politkarriere hinter sich: Jusos, SPD, Sozialistischer Hochschulbund an der Ruhr-Uni, Landtag, Landesministerin. Mit 49 übernahm sie unter Angela Merkel das Bundesumweltministerium mit Hauptsitz in Bonn. Mit dem Aufstieg in die Bundespolitik 2018 „ergrünte“ die Politologin, sie profilierte sich als Gegnerin „genmanipulierter“ Nutzpflanzen. Doch unter Olaf Scholz’ Ampel mußte sie ins Bonner Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wechseln – und sich dort der „verschärften Hungersnot“ im globalen Süden widmen.
Ob diese mit „Gen-Weizen“ einzudämmen wäre, bleibt in ihrem aktuellen Interview mit dem SPD-Theorieorgan Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte (5/23) leider ein Geheimnis. Die 54jährige Sozialdemokratin, den linksgrünen Ideologien mehr als den Fakten zugetan, ist nicht der Typ, der aus Erfahrung klug wird. So schlägt sie nun tatsächlich vor, „Fachkräfte“ für Deutschland in Ghana anzuwerben, um die hohe Arbeitslosigkeit in der einst britischen Kronkolonie Goldküste zu senken. Das lange Gespräch mit dem NG/FH-Chefredakteur Richard Meng dokumentiert, daß sie zusammen mit Annalena Baerbock in einer Parallelwelt lebt.
Wie die grüne Kabinettskollegin will sie „feministische Entwicklungs- und Klimaschutzpolitik“ treiben. Da die Toilettenfrage in Nigeria ungefragt vom Auswärtigen Amt übernommen wurde, bleibt Schulze nur übrig, Frauen in Afrika an „klimafreundlichen“ Planungen zur Wasserversorgung zu beteiligen. Die hätten dann gleichberechtigten Anteil daran, die „Klimaveränderung zurückzudrängen“. Entrüstet pariert sie Mengs Frage, ob nicht das „weiße“ Narrativ, Weltklimarettung durch CO2-Reduktion, den Afrikanern in „neokolonialistischer“ Manier oktroyiert werde: Nein, denn Länder wie Kenia hätten schon ihre eigene Energiewende eingeläutet und seien beim Anteil der „erneuerbarer Energien“ sogar „weiter als wir“.
Das 56-Millionen-Einwohner-Land Kenia ist mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 2.269 Dollar zwar etwas reicher als Ghana (2.024), aber bettelarm im Vergleich zum CO2-Sünder Südafrika (6.485) oder Deutschland (51.383 Dollar) – und der ostafrikanische Agrarstaat muß auch keine Großindustrie mit Strom versorgen, weil er bislang keine nennenswerte hat. Schulze hält zudem am grünen Märchen fest, die Ahrtal-Flut von 2021 sei genauso wie die jüngsten Überflutungen in Pakistan eine „Folge der Klimakrise“.
Und die Bewohner des globalen Nordens, die ihre Klimapanik („Es geht ums Überleben“) nicht teilen, will sie mit einer Dystopie „überzeugen“: „weltweit“ nach Europa aufbrechenden Heeren von „Klimaflüchtlingen“. Gegenüber dem globalen Süden kennt die Genossin letztlich auch kein Pardon: „Wenn die mit Gas weitermachen und mit unseren Produkten und mit unserem Konsum anderswo den Klimawandel vorantreiben“, dann sei „der Staat gefragt“, so die rotgrüne Neokolonialistin. Welcher Staat gemeint ist, bleibt unklar – jedenfalls irgendeine Macht, die fähig ist, das Pariser Abkommen gegen jeden ungläubigen Klimaketzer durchzusetzen.