Wesensgeleitete Außenpolitik. In Methode und Begrifflichkeit sei Johannes Barnicks (1916–1987) zuerst erschienener
Großessay „Deutsch-russische Nachbarschaft“ von 1959 das „Werk einer Vorkriegsgeneration“, wie Thomas Fasbender in seinem allzu knappen Vorwort zur Neuausgabe treffend urteilt. Solche geschichtsphilosophisch-geopolitischen Kaffeesatzlesereien hatten tatsächlich vor 1945 Hochkonjunktur, erreichten aber, man denke nur an des Waldgängers Ernst Jünger Spekulationen über „ewige“ abendländisch-asiatische Spannungen, noch während des „Kalten Krieges“ ein breites Publikum. Diese Art ethnogenetischer Psychologisierung, die Völkern „Wesen und Natur“ andichte, um daraus Empfehlungen für die „Realpolitik“ abzuleiten, sei sogar mehr 19. als 20., aber „definitiv kein 21. Jahrhundert“, findet Fasbender. Trotzdem lohnt die Lektüre, weil sie ein Denken vermittelt, das nicht die Ökonomie, sondern Kultur und „Geistestraditionen“ für den härteren Kitt in internationalen Beziehungen, vornehmlich in den deutsch-russischen, hält. Dabei setzte Barnick 1959 jedoch den heute mehr als fraglichen Willen zu einer selbstbestimmten deutschen Außenpolitik und die Überzeugung voraus, daß sich „unser Dasein für die Weltgeschichte noch lohnt“. (wm)
Maria Steuer: Der Schlüssel liegt in deiner Kindheit. Raus aus der Ohnmacht. Selbstverlag, Aachen 2022, broschiert, 63 Seiten, 14 Euro
Kindheitseinflüsse. Wer einen Knacks hat, hatte recht häufig keine besonders tolle Kindheit. Soweit, so bekannt. Wer es genauer will, sollte sich mit der sogenannten Bindungstheorie beschäftigen, die das Ganze etwas weiter aufdröselt. Und um genau die geht es in „Der Schlüssel liegt in deiner Kindheit“ von Maria Steuer. Das heißt, eigentlich geht es weniger um Theorie, als um praktische Verhaltenstips. Das kommt nicht von ungefähr, schließlich gründet Steuer auf jahrelange private und berufliche Erfahrung als dreifache Mutter, Kinderärztin und Therapeutin. Die grundlegenden Thesen des Buchs sind einleuchtend. Kinder brauchen einen Vater, Kinder merken sich Situationen, in denen die Mutter sie ignoriert, und Eltern projizieren häufig ihre eigenen Erfahrungen auf das Kind. Steuer betont den enormen und lebensbestimmenden Einfluß der Kindheit auf das soziale Klima in unserer Gesellschaft, deshalb müssen die Bedingungen stimmen, unter denen Kinder aufwachsen. Das wird anschaulich erklärt und mit allerhand Beispielen versehen. Trotz des Coaching-Hintergrunds der Autorin schafft es das Buch, nicht wie eine Werbebroschüre zu wirken. Störend wirkt allerdings, daß die Seitenangaben zu Beginn fehlerhaft sind. (lb)
Johannes Barnick: Deutsch-russischeNachbarschaft. Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Neuruppin 2022, gebunden, 171 Seiten, 18 Euro