Dieter Gellhorn begeistert mit Einblicken, die er in einem Sabbatjahr 2021 in Südspanien nahe Huelva unweit Gibraltar, in 259 sogenannten Aperçus zu Papier gebracht hat. Es sind geistige Streifzüge durch Geschichte, Kultur, Religion, durch Sozial- und Individualpsychologie. Mal drückt er sich knapp aus, mal detailreich, immer aber scharfsinnig zu Ereignissen der Gegenwartsmoderne, die sich 2021 jährten, weiter entfalteten oder neu ereigneten. Der Leser fragt sich, ob er einen Gedichtband, eine Sammlung von Aphorismen oder Scholien in Händen hält. Wie auch immer, die Wirkung der Sprache ist allen drei Literaturgattungen zuzuordnen.
Gellhorns Gedankengänge und Reflexionen gehen mit großer Bildung, wachem Interesse an der Welt, den Menschen und der eigenen Existenz einher. Schwerpunkte sind die Auseinandersetzung mit dem Islam, seinem offensiven Vorgehen in einer zurückweichenden christlichen Welt, mit warnenden Hinweisen auf die Folgen einer nichtbeachteten Islamisierung Europas. Gellhorn sieht darin eine „Selbstzerstörungslust“ des Westens. Er benennt konkrete Beispiele, wie die Erteilung der Erlaubnis eines freitäglichen Muezzinrufs durch die Oberbürgermeisterin von Köln. Überhaupt werden zahlreiche Gegebenheiten aus dem Leben des Propheten, teils humorvoll, teils mit einem warnenden Zeigefinger erzählt. Neben kritischen Einschätzungen zum Islam würdigt Gellhorn durchaus dessen beachtliche Kulturleistungen, wie Baustil und dessen Verhältnis zur antiken Philosophie. Für ihn sind muslimische Gläubige „außengesteuert“. Er hofft, moderate Kräfte werden die Oberhand gewinnen.
Ausführlich widmet sich der Autor den menschlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Er zeigt auf, wie weit wir alle im Elektronikzeitalter angekommen sind und bereits unser Leben darin eingerichtet haben. Mit Corona-Warnapps versuchten staatliche Behörden der Infektionsausbreitung entgegenzusteuern. Homeoffice, Videokonferenzen zogen ein, die Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Kontakte spielten dabei keine Rolle.
Aber nicht nur weltbewegenden Ereignisse sind Gellhorns Themen, immer wieder liest man zu Alltäglichem, wie Beobachtungen zu Eigenarten des Körpers, zu seinem Altern, zur Physiognomie. Einschätzungen zur Philosophie und Schaffung politischer Ordnungssysteme stellt er in seinem prägnanten analytischen Blick auf den politischen Wandlungsprozeß in Europa in den Kontext geschichtlicher Ereignisse, von Alexander dem Großen bis zu Bismarck.
Dieter Gellhorn:
Spanische Ansichten übers Jahr. Ein kritisches Allerlei in 259 Aperçus. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2022, broschiert, 245 Seiten, 18,90 Euro