© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/23 / 09. Juni 2023

Martin Luther Kings „I have a dream“-Rede
Nicht postethnisch farbenblind
(ob)

Vor dem Hintergrund einer auch 100 Jahre nach Aufhebung der Sklaverei im Süden der USA fortbestehenden „rassistischen Kastengesellschaft“ und eines faktischen Apartheidsystems entfaltete Martin Luther King in seiner berühmten „I have a dream“-Rede vom 28. August 1963 den neuen „amerikanischen Traum“ eines gleichberechtigten Miteinanders von Schwarzen und Weißen. Der Theologe King, die charismatische Führungsfigur des schwarzen Evangelikalismus, habe dabei zwar die universalistischen Visionen des Neuen Testaments von der Aufhebung aller Unterschiede zwischen Freien und Sklaven, Heiden und Juden, Männern und Frauen in Christus beschworen. Aber, wie der Nordamerikanische Kulturgeschichte lehrende Michael Hochgeschwender (Universität München) die heute gern ausgeblendete Komplexität dieser Rede herausarbeitet, sei der schwarze Prediger dabei nicht mit „postethnischer Farbenblindheit“ geschlagen gewesen (Aus Politik und Zeitgeschichte, 15–16/2023). Sowenig wie der Heilige Paulus habe der mit Emphase vom „American Negro“ sprechende King geglaubt, die Schöpfungsordnungen von Volk und Ethnie würden im Reich Gottes aufgelöst. Darin sei die „deutlich kulturpluralistische Wendung“ in Kings liberalem und theologischem Universalismus zu erkennen.


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