© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/23 / 09. Juni 2023

Kein Interesse am „Schuldkult“
Polen: Die neue polnische Rechtsbewegung „Konfederacja“ eckt an und begeistert Jungwähler
Felix Hagen

Es war ein Vorgang, wie er in der Bundesrepublik kaum vorstellbar ist. Die deutsche Max-Weber-Stiftung, eine sogenannte „bundesunmittelbare“ Stiftung für Geisteswissenschaften, veranstaltet in Warschau einen Vortrag eines Historikers mit Bezug zur zeitgenössischen polnischen Gesellschaft. Es geht um nicht weniger als den Holocaust und den Umgang damit in der heutigen Republik Polen. Doch wenige Minuten nach dem Beginn der Veranstaltung wurde der Referent unterbrochen. 

Das Motto lautet „Gott, Arbeit, Familie, Vaterland“ 

Grzegorz Braun, ein führendes Mitglied der polnischen Sammlungsbewegung „Konfederacja Wolność i Niepodległość“ (Könföderation für Freiheit und Unabhängigkeit), setzte dem Fortgang der Veranstaltung ein jähes Ende. Es sei „genug damit“, rief Braun und beendete drastisch jeden weiteren Versuch, den Vortrag fortzuführen, indem er Mikrofon und Lautsprecheranlage beschädigte. Die hinzugerufene Polizei zeigte sich machtlos. Braun ist Abgeordneter des polnischen Sejm und damit Träger einer weitreichenden Immunität. 

Später rechtfertigte sich Braun auf Twitter, er habe „intervenieren müssen, um dieser Art von Provokationen gegen die polnische Nation ein Ende zu setzen“. „Antipolnische, schurkische, kontrafaktische Propaganda“ sollten in Polen keinen Platz haben, so der 56jährige in Thorn Geborene. Es ist nicht das erste Mal, daß der streitfreudige Pole derart robust in den vorpolitischen Kulturkampf eingreift. In seiner Partei feiern ihn viele für den Auftritt, man habe ohnehin kein Interesse, den „deutschen Schuldkult nach Polen zu importieren“, sagt einer seiner Anhänger im Gespräch. Kritik aus seinem eigenen Umfeld hat Braun offenbar nicht zu erwarten, Kritik aus den Reihen des politischen Gegners scheint der Mann mit dem markanten Schnauzbart hingegen regelrecht zu genießen. 

Was aber ist sein Umfeld, was ist die „Konfederacja“? Die Konfederacja Wolność i Niepodległość ist, wie der Name bereits andeutet, eine Sammlungsbewegung aus mehreren Parteien des rechten Spektrums. Sie vereint in sich themenbezogene Parteien, etwa die „Autofahrerpartei“, die sich vor allem für niedrige Spritpreise und einen Ausbau der Autobahnen einsetzt, aber auch libertäre, monarchistische oder traditionalistische Parteien. Zusammengehalten wird sie vor allem von der gemeinsamen Ablehnung der etablierten PiS. Denn die langjährige Regierungspartei sei „purer Populismus, ohne Programm und ohne Zukunft, wie es Krzysztof Bosak, einer der beiden Parteivorsitzenden, ausdrückt. Dem will die Konfederacja ein Programm entgegenstellen, das Anhänger der Partei grob mit „Gott, Arbeit, Familie, Vaterland“ umschreiben – niedrige Steuern inklusive. Bei vielen Polen verfängt diese Botschaft, die vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet wird. In jüngsten Umfragen liegt die Partei bei zehn Prozent, vor allem bei jungen Wählern ist sie stark verbreitet. Ihre relative Stärke könnte die Konföderation zum Königsmacher nach den nächsten Parlamentswahlen machen, denn die Regierungspartei schwächelt etwas und liegt in Umfragen nur noch bei 35 Prozent. Sie steht zudem unter Druck von Oppositionsführer Donald Tusk und dessen liberalkonservativer Bürgerplattform (PO), die am Wochenende 300.000 Demontranten zusammenbrachte, um gegen die „autoritäre“ PiS-Regierung zu protestieren.