Erst der Schock, dann die Schuldzuweisungen: Mit aktuell 19 Prozent erreichen die Umfragewerte der AfD bei der Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der Bild am Sonntag einen neuen Höchststand. Wie schon zuvor beim Deutschlandtrend der ARD liegt die AfD jetzt gleichauf mit der Kanzlerpartei SPD. Die Union bleibt mit 27 Prozent stärkste Kraft, die Grünen liegen mit unverändert 13 Prozent jetzt schon sechs Prozentpunkte abgeschlagen hinter der AfD, die FDP legt minimal zu auf 9 Prozent, die Linke kommt auf 5 Prozent. Nach dem bis dato stärksten Ergebnis von 18,5 Prozent im Oktober 2018 erreichte die AfD jetzt bei Insa ihren bisherigen Rekord.
Aus der Union, die vom Chaos in der Regierungskoalition nicht soviel profitieren kann wie erhofft, heißt es nun, die Ampel „mäste“ die AfD mit Heizungsverboten, der ungelösten Migrationskrise und links-identitärer Zwangsbeglückung. Vor allem in den Reihen der Grünen dreht man den Spieß um: Schuld am Zuspruch für die AfD sei die von Merz verkörperte Union, die den Diskurs nach rechts „verschoben“ habe.
Nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird eine theoretisch denkbare Koalition aus CDU/CSU, AfD und FDP, die nach der aktuellen Umfrage mit einer Mehrheit von 60 Prozent regieren könnte. Einem entsprechenden Gedankenspiel gegenüber aufgeschlossen zeigte sich indes eine Mehrheit in einer nicht repräsentativen Internetumfrage der JUNGEN FREIHEIT. Danach bejahen 92 Prozent die Frage „Soll die CDU auf Landesebene mit der AfD koalieren?“ Sechs Prozent verneinen dies, zwei Prozent sind unsicher.
Bislang bleibt diese Option ungenutzt. Es wird eine „Brandmauer“ zwischen Union und AfD hochgehalten. Der CDU-Kenner Werner Patzelt schloß gegenüber Bild AfD-CDU-Koalitionen aus: „Erstens überlebte im dann zu erwartenden medialen Sperrfeuer kein CDU-Politiker einen solchen Versuch.“ Und zweitens „verachten AfDler keine Partei mehr als die CDU“.
Migrationspolitik
steht an erster Stelle
In der jüngsten Erhebung von Infratest Dimap im Auftrag der Welt wurden Teilnehmer auch nach ihren Gründen, die AfD zu wählen, gefragt. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) gaben an, aus Enttäuschung über die anderen Parteien ihr Kreuz bei der AfD machen zu wollen, 32 Prozent zeigten sich von der Partei selbst überzeugt. Auf die Frage, welche Themen dabei die entscheidende Rolle spielen, steht mit Abstand an erster Stelle die Migrations- beziehungsweise Zuwanderungspolitik (65 Prozent). An zweiter Stelle rangiert die Energie- und Klimapolitik (47 Prozent). Nur ein Viertel der Befragten (25 Prozent) nannten die Außen- und Sicherheitspolitik als entscheidendes Argument, gefolgt von der Sorge um Preise und Inflation (23 Prozent).
Wenig getan hat sich unterdessen bei der Mitte-Rechts-Umfrage, mit der die Insa-Forscher jeden Monat im Auftrag der jungen freiheit die Beliebtheitswerte ausgewählter Politiker in diesem Milieu ermitteln. Dort können Markus Söder (CSU), Friedrich Merz und Michael Kretschmer (beide CDU) ihren Platz an der Spitze halten. Auch unter den Wählern aller Parteien hat sich die Rangfolge in Sachen Beliebtheit gegenüber dem Vormonat kaum verändert. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der nach einem Eklat am Rande einer Diskussionsveranstaltung erneut bundesweit in die Schlagzeilen geraten war, daraufhin seinen Austritt bei den Grünen erklärt sowie eine „Auszeit“ samt professioneller Unterstützung angekündigt hatte, scheint das alles nicht viel geschadet zu haben. Unter den zwölf ausgewählten Politikern bleibt er auf Platz 2 hinter Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und dessen sächsischem Kollegen Michael Kretschmer (CDU). Etwas anders sieht es bei den Mitte-Rechts-Wählern aus. Da rutschte Palmer einen Platz runter auf Rang fünf, im Gegenzug ging es eins rauf für AfD-Chefin Alice Weidel. Sie ist in dieser Gruppe die beliebteste Politikerin ihrer Partei.
Jan Timke (Bürger in Wut), der wegen des aufsehenerregenden Ergebnisses bei der Bürgerschaftswahl in Bremen erstmals in die Liste aufgenommen wurde, startete im Gesamtranking trotz seiner relativ geringen Bekanntheit gleich auf Platz 6 – und setzte sich damit vor die FDP-Granden Christian Lindner und Wolfgang Kubicki sowie vor sämtliche AfD-Politiker. Bei den Grünen-Wählern schaffte es Timke auf Anhieb auf Platz 3. Erstaunlich: Unter den Mitte-Rechts-Wählern kam der hier etwas bekanntere Neuling aus Bremen weit weniger gut an: Bei ihnen rangiert Timke auf Platz 9; am unbeliebtesten ist er bei den AfD-Anhängern (Platz 10).