© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/23 / 09. Juni 2023

Erleuchtung der Woche
Unmut im Dunkeln
Paul Leonhard

Irgendwann in den vergangenen Wochen muß den Mitgliedern der Stiftung Frauenkirche ein Lichtlein aufgegangen sein. Daß es nicht gut ist, zu lange im Dunkeln zu verharren. Vielleicht haben ein paar Kuratoren gemurrt, vielleicht war auch der von den altansässigen Dresdnern geäußerte Unmut zu groß geworden, daß ausgerechnet die noch von vielen Alten ehrfürchtig „unser Dom“ genannte Kirche seit dem 22. August vergangenen Jahres nicht mehr angestrahlt wurde. Als einziges der sorgfältig restaurierten, markanten Gebäude der Innenstadt an der Elbe. Während Schloß, Semperoper, Albertinum und Ständehaus sich nach Einbruch der Dunkelheit längst wieder zu der berühmten Dresdner Silhouette formten, stellte ausgerechnet das Symbol der deutschen Wiedervereinigung und europäischen Solidarität nachts wenig mehr als einen dunklen Schatten dar. So als wäre die im Bombenhagel der letzten Kriegstage zerstörte Bährsche Kuppel nie wieder aufgebaut worden. Dabei wollte der Stiftungsvorstand doch nur – die Begründungen fallen recht unterschiedlich aus – mal wegen der akuten Energiekrise Strom sparen, mal seine Solidarität mit der von Rußland angegriffenen Ukraine bekunden. Beides kam gar nicht gut an – zumindest nicht beim überwiegend konservativen Dresdner Bürgertum. Am Pfingstwochenende jedenfalls gingen die Lichter wieder an, wenn auch nur verhalten und lediglich die Kuppel beleuchtend. „Wir haben ein wachsendes Bedürfnis in der Bürgerschaft gespürt“, so werden Stiftungschefin Maria Noth und Pfarrer Markus Engelhardt von der Lokalzeitung zitiert, „die Frauenkirche als ihr Wahrzeichen und als Zuversicht abends wieder zu sehen“. Allerdings wird weiterhin auf die sonst üblichen externen Strahler verzichtet, und Punkt 23 Uhr versinkt die Kirche wieder im Dunkeln.