© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

Blick in die Medien
Chaos beim „Spiegel“
Tobias Dahlbrügge

Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann verläßt das Hamburger Blatt. Der 57jährige saß seit 2019 auf dem Posten, der als „Schleudersitz“ gilt. Dahinter steckt nach Meinung von Branchenkennern ein Grabenkrieg zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung. Der Konflikt soll sich um die zukünftige Ausrichtung des Magazins zwischen Druck- und Online-Ausgabe drehen.

Klusmann hatte die Verzahnung der getrennten Print- und Digitalredaktionen vorangetrieben. Die Geschäftsführung opponierte gegen diesen Kurs. Die Mitarbeiter-KG, die eine knappe 50,5-Prozent-Mehrheit der Unternehmensanteile hält, stand an der Seite der Geschäftsführung. Nun mußte Klusmann „im gegenseitigen Einvernehmen“ aus seinem Hafenblick-Büro ausziehen.

Allerdings blieb die Personalentscheidung nicht ohne Protest: Pro-Klusmann-Kollegen richteten einen wütenden Brief an die Geschäftsleitung. Darin heißt es laut Business Insider unter anderem, ein Kündigungsgrund sei „für uns nicht ersichtlich“, der Wechsel werde „keines unserer aktuellen Probleme lösen“ und für „eine erneute, mehrmonatige Lähmung des ganzen Hauses“ sorgen.

Ein Nachfolger ist bereits gefunden, doch auch er wird mit der Fusion von Print und Online zu kämpfen haben.

Doch ein neuer Mann ist schon gefunden: der bisherige Leiter des Hauptstadt-Büros, Dirk Kurbjuweit. Der Neue ist bereits seit 1999 im Haus und war von 2015 bis 2018 Vize-Chefredakteur. Als solcher will er damals „leise Zweifel“ an den Fantasy-Storys von Relotius gehabt haben. Der 60jährige Autor mehrerer Romane gilt als Print-Mann.

Es wird sich zeigen, ob er den von Klusmann durchgezogenen Gewaltakt der Zusammenlegung von Print und Online – an dem sich schon einige Vorgänger die Zähne ausgebissen hatten – nun wieder zurückdrehen wird, gegen die vor allem die gutbezahlten älteren Printredakteure stets heftig Widerstand geleistet hatten.

Erst vor kurzem hatte der Spiegel über das angeblich „toxische“ Arbeitsklima am Filmset von Regisseur Til Schweiger berichtet. In dem Haus an der Hamburger Ericusspitze geht es hinter der Fassade offenbar nicht minder intrigant und boshaft zu.