© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

Dorn im Auge
Christian Dorn

Im vorletzten Fußballspiel vor Saisonende im Friedensstadion Halberstadt, als ich im Gespräch vertieft die Strafraumszene verpasse, seufzen wir, daß hier kein Videobeweis existiert. Dabei hilft auch der nicht weiter, wie das Beispiel Berlin demonstriert, wo die Polizei nicht als Freund, sondern als Hehler agiert (Strafvereitelung). So berichtet mein betroffener Nachbar, wie „Fachkräfte“ auf seinen Namen Waren bestellt und diese – nach Manipulation des Klingelschildes, das zum Quergebäude statt Hinterhaus führte – abgestaubt hatten, indem sie den Lieferanten bereits entgegenkamen, wenn es klingelte. Da der Hauseingang mit Videokamera observiert wird, erhielt die Polizei das Angebot, mit dem Bildmaterial die Täter zu identifizieren. Doch die lehnte das Beweismittel ab. Monate später stellte die Polizei das Verfahren ein, da kein Täter zu ermitteln gewesen sei.

Zur Bundeswehr, eins, zwo / Zurück auf Status quo // Geflüchtet? Anyhow / „Your’re in the army now“!

Auf der letzten Zeitungsseite der Volksstimme fällt mein Blick auf das Foto mit den fast übermenschlich großen Straßenmusikern auf dem Quedlinburger Marktplatz. Die aus Bronze gefertigte Plastik des Bildhauers Wolfgang Dreysse mit dem Titel „Münzenberger Musikanten“, die einst aus Böhmen zugewandert waren, wurde Ende der 1970er Jahre aufgestellt. Automatisch spricht es aus mir: „Zum Glück keine Benin-Bronzen.“ Die Stimme neben mir echot: „Keine Benimm-Bronzen.“ Anders als mit Sarkasmus, Ironie, Zynismus, Spott oder Häme weiß ich mir, da Deutschland aller Orten abgeschafft wird, nicht mehr zu helfen. Ginge es nach der FDP, sollen flüchtige „Fachkräfte“ – womöglich berüchtigte „Ortskräfte“ – für ihren Wehr- respektive Söldnerdienst den deutschen Paß erhalten. Sogleich fordern Dichtung und Wahrheit ihren Tribut: „Zum Bund, zum Markt der Floh / Zurück auf Status quo: // Geflüchtet? Anyhow / You’re in the Army now.“


Am Breiten Weg werde ich derweil Zeuge, wie die Polizei eine delinquente Fachkraft vom Domberg herunterführt und ins Auto drückt. Kaum ist der Wagen weg, kommt ein junges Paar die Treppe herunter, das ich frage, was gerade passiert sei. Aggressiv, ja bedrohlich peitscht mir das Mädel „Ich nix verstehen Deutsch“ entgegen. Sofort flüchten beide in die engegensetzte Richtung. Ich seufze, so wird das mit der Willkommenskultur wirklich nichts. Als ich in der wie ausgestorben wirkenden Unterstadt im Autoradio Petula Clarks „Downtown“ höre, während ich im Straßenbild nur vereinzelte Gruppen „Geflüchteter“ erblicke, ist mir, als führe ich durch eine reale Dystopie. Doch diese Rede in fremden Zungen, ausgerechnet zu Pfingsten – ist es die Ankunft des Antichrist? Schließlich erleben wir leibhaftig die erste Gemeinde der Klimakirche, deren Jünger – getreu dem Motto „Heal the Earth“ – wie im esoterischen Heilsversprechen dem Globus die „Hand auflegen“. Darauf angesprochen, weiß die Kundschaft im Lokal „Pinocchio“ bereits genau, was sie dann täten: Der ADAC-Mann in gelber Uniform würde den Bolzenschneider nehmen, der Fahrlehrer eine Machete – und mein Heizungsmann einen Kanalreiniger, der alles wegätzt. Allesamt Stimmen aus des Volkes Mitte.