© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

CD-Kritik: Geirr Tveitt, Ragnhild Hemsing
Nationalromantik
Jens Knorr

Der Klang der Hardangerfiedel müßte eigentlich unter das Betäubungsmittelgesetz fallen: Er macht süchtig! Das Volksmusikinstrument hat aber auch Eingang in die Konzertmusik gefunden, im 20. Jahrhundert in die beiden Konzerte für Hardangerfiedel und Orchester des norwegischen Komponisten Geirr Tveitt. Das zweite, op. 252 „Tri Forda“ von 1965, mit den Satzbezeichnungen Hardangerford, Sogneford und Nordford, ist Programm-Musik, die sich der musikalischen Moderne zu widersetzen sucht und ihr in der Amalgamierung volksmusikalischer Wendungen und vorromantischer Modi näherkommt, als sie vermeint.

Die Romanze für Violine und Orchester op. 26 von Johann Svendsen sowie das Konzertstück „Huldra aa’n Elland“ des frühverstorbenen Sigurd Lie haben sich dagegen ganz nationalromantischer Selbsterfahrung verschrieben und sind jenem Akademismus verhaftet geblieben, der an deutschen Konservatorien ehedem gelehrt wurde. Und in der Tat haben Svendsen, Lie und Tveitt, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, in Leipzig studiert, Lie auch bei Professor Max Bruch in Berlin.

Die norwegische Violinistin Ragnhild Hemsing spielt Tveitt auf der Hardangerfiedel, Svendsen, Lie und Bruch auf der Konzertvioline. Folgt ihre Einspielung des nicht totzukriegenden Ersten Violinkonzerts von Max Bruch wirklich innerer Notwendigkeit? Das Bergen Filharmoniske Orkester unter Eivind Aadland knüpft einen romantisch kompakten Orchesterteppich, von dem sich das energisch unverschliffene Spiel Hemsings seltsam fremd abhebt.

Bruch + Tveitt Ragnhild Hemsing Berlin Classics 2023

www.ragnhildhemsing.com

www.berlin-classics-music.com