© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

Dornröschen soll erwachen
Stadtgestaltung: Der Berliner Senat will die Schinkelsche Bauakademie wiedererrichten
Peter Möller

Es hätte alles so einfach sein können: Als Anfang der neunziger Jahre die Diskussion über die Neugestaltung der historischen Mitte Berlins Fahrt aufnahm, zeichnete sich schnell ein Konsens darüber ab, nach dem Abriß des DDR-Außenministeriums die dort bis zu ihrem Abbruch durch das SED-Regime 1960/61 stehende Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel wieder aufzubauen. Und tatsächlich: Bereits 2001 wurde auf Initiative des Fördervereins eine originalgetreue Kopie einer Gebäudeecke mit zwei Fensterachsen als Musterfassade wiederaufgebaut. Damit sollte demonstriert werden, daß eine Rekonstruktion des Schinkelbaus auch heutzutage noch in einer handwerklich überzeugenden Qualität möglich ist.

Welcher Stellenwert diesem symbolischen Bau-start damals in Berlin beigemessen wurde, zeigt die Tatsache, daß der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) an der Grundsteinlegung teilnahm. Später wurde auch noch ein „Roter Saal“ genannter Musterraum rekonstruiert, der sich an einem Raum im ersten Stock des Originalbaus orientierte und unter anderem für Veranstaltungen zur Geschichte des Ortes und der Bauakademie genutzt wurde. Doch dann war es erst einmal vorbei: Das Projekt Wiederaufbau der Bauakademie fiel trotz eines breiten Konsenses für die Rekonstruktion in eine Art Dornröschenschlaf, während gegenüber das Stadtschloß allen Anfeindungen zum Trotz zu alter Pracht emporwuchs.

Während die einstige Hohenzollernresidenz nun bereits erste Patina ansetzt, hat sich bei Schinkels Bauakademie nicht viel getan. Einsam ragt die vor mittlerweile zwanzig Jahren aufgemauerte Muster-ecke in den Himmel über Berlin, während etwas versetzt davon der „Rote Saal“ zusammenhangslos sein Dasein fristet. Die Fassadensimulation, mit der die Kubatur des Gebäudes mit Hilfe von Gerüsten und bedruckter Folien für einige Zeit die Ödnis des Baufeldes kaschierte, wurde bereits vor einigen Jahren wieder abgebaut.

Bundesstiftung will einen Architekturwettbewerb

Doch nun keimt mit dem Amtsantritt des schwarz-roten Senats unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht nur bei Architekturliebhabern und Schinkel-Fans wieder Hoffnung auf eine originalgetreue Rekonstruktion der Fassade der Bauakademie auf. Denn in ihrem Koalitionsvertrag bekennen sich CDU und SPD mit deutlichen Worten zum Wiederaufbau: „Die Wiedererrichtung der historischen Fassade der Bauakademie ist durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen. Falls dies nicht durch eine entsprechende mit dem Bund und der Stiftung Bauakademie abgestimmte Ausgestaltung des Wettbewerbstextes für den Gestaltungswettbewerb gelingt, wird der Senat hierzu eine Gestaltungsverordnung erlassen.“

Wie in Berlin nicht anders zu erwarten, stieß dieses Bekenntnis zu einem weiteren entscheidenden Schritt bei der architektonischen Reparatur der historischen Mitte der Hauptstadt sogleich auf Kritik. Ausgerechnet bei der Bundesstiftung Bauakademie, die für den Bau und den späteren Betrieb der Bauakademie zuständig ist, rief die Festlegung auf die historische Gestalt des Gebäudes Widerspruch hervor. „Wir wollen bei der Entwicklung der Bauakademie – anders als beim Humboldt-Forum – vom Inhalt und den räumlichen Bedarfen ausgehen und nicht nur über die Fassade sprechen“, sagt der Gründungsdirektor der Bundesstiftung, Guido Spars. „Das erklärte Ziel lautet, dem Bauen der Zukunft einen Ort zu geben: im Diskurs und Dialog, im Experiment und Ausstellen sowie in der Bauweise selbst.“ Die Bundesstiftung setze nach wie vor auf den Realisierungswettbewerb, um das beste Ergebnis für innen und außen und die vielfältigen Anforderungen an das Gebäude zu finden. „Die Kreativität der Architektinnen und Architekten ist gefragt, Lösungen für die komplexe Bauaufgabe zu finden“, sagt Spars. „Eine historische Fassade, die sich Schinkel zum Vorbild nimmt, die ihn an heutige Anforderungen und an die räumlichen Bedarfe anpaßt, wird als Wettbewerbsbeitrag willkommen sein.“

Spars schwebt offenbar ein Hybrid-Gebäude aus alt und neu vor, das auch zeitgenössischen Architekten die Möglichkeit eröffnet, sich zu verewigen. Im RBB versuchte der Stiftungschef Kritikern, die ein solches Architekturexperiment an dieser zentralen Stelle der historischen Mitte Berlins fürchten, den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Wir wollen hier keinen Glaskubus, der irgendwie neutral an jedem Standort stehen kann.“ Es müsse sich schon mit dem Vorgängergebäude auseinandergesetzt werden. Doch Spars sagte auch: „Ich bin mir fast sicher, daß Schinkel selber keine Kopie seines eigenen Gebäudes hätte sehen wollen.“

Der Konflikt um die Ausgestaltung scheint programmiert

Dieser Aussage widersprechen die Befürworter des Wiederaufbaus vehement. Sie verweisen darauf, daß die 1836 vollendete Bauakademie durch die serielle Fertigung ihrer Bauteile und ihre im besten Sinne „Stil-Losigkeit“ den Aufbruch in die architektonische Moderne verkörpert habe, der auch heute noch konkurrenzfähig sei. Zu diesem Schluß kommt etwa der Leiter des Architektur-Museums der TU Berlin, Hans-Dieter Nägelke, der sich angesichts der handwerklichen Qualität der bereits rekonstruierten Fassadenecke von einem Skeptiker zu einem Befürworter des Wiederaufbaus gewandelt hat: „Alles wie damals: Feinste Ziegel aus Brandenburg, lokal. Seriell gefertigt die Fassade – ein Schritt in die Moderne. Und die Terrakotta-Bilder erzählen von Schinkels Wertschätzung für die Bauhandwerker“, sagte er dem RBB mit Blick auf die Rekonstruktion.

Der Konflikt um die konkrete Ausgestaltung des 2016 vom Bundestag beschlossenen Wiederaufbaus scheint damit programmiert. Und diese Auseinandersetzung dürfte auch entlang des derzeit besonders populären Themas Klimawandel verlaufen. Spars hat bereits darauf verwiesen, daß das von der Stiftung eingesetzte interdisziplinäre Expertengremium zur Vorbereitung des Wettbewerbs für die konkrete Ausgestaltung des neuen Gebäudes zu dem Schluß gekommen sei, es müsse ein Bau errichtet werden, der das 1,5-Grad-Ziel hält und die Wiederverwertung von Baustoffen zeige. Zumindest diese Punkte tauchen auch im Koalitionsvertrag auf, der von einer „nachhaltigen und klimagerechten Wiedererrichtung der Bauakademie“ spricht.

Mit dem Koalitionsvertrag im Rücken haben derzeit die Befürworter eines historisch exakten Wiederaufbaus von Schinkels Akademiegebäude die besseren Karten. Aber wer die Untiefen der Berliner Politik kennt, weiß, daß alles auch noch ganz anders kommen kann.


 www.errichtungsstiftung-bauakademie.de