Inzwischen ist die Hälfte der Menschheit online, über 50 Milliarden Sensoren sind heute schon mit dem Internet verbunden und liefern permanent Daten aus der uns umgebenden Welt und aus allen Lebensbereichen. Aber die Digitalisierung wird erst seit 30 Jahren massenhaft global genutzt, so daß kaum in Ansätzen erkennbar ist, wie gravierend sie sich gesellschaftlich auswirken wird. Noch halten sich für Christoph Meinel, den Potsdamer Informatiker und langjährigen wissenschaftlichen Direktor der Hasso-Plattner-Stiftung, utopische/dystopische und verharmlosende Erzählungen darüber, wie es in Zukunft weitergeht, die Waage. Ungeklärt sei vor allem, welche Rolle der Staat in der digitalisierten Welt von morgen spielen, wie er sich gegen IT-Konzerne, deren Einfluß weit über die Grenzen der Nationalstaaten hinausgeht, behaupten werde. Im dunkeln liegen nach Meinel auch Antworten auf existentiell wichtige Fragen: „Wieviel Individuum wird es in der digitalen Welt noch geben? Wie verändert sich das Verständnis des Individuums? Und wieviel persönliche Verantwortung kann ein Mensch in der durch Künstliche Intelligenz (KI) geprägten Welt noch übernehmen?“ Die einzige Hoffnung, im immer komplexer werdenden Cyberspace Autonomie und Souveränität zu bewahren, besteht für Meinel nicht im „Regulierungswahn“ der EU, die glaubt KI per Oktroi „ordnen“ zu können, sondern in einem sich aus „digitaler Aufklärung“ speisenden, mündigen Selbstbewußtsein des Bürgers, der die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technologien kennt und für seine Zwecke nutzt (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 5/2023).