Freundlich lächelnd schreitet ein hochgewachsener, schlanker Mann über den lila Samtteppich am Flughafen. Er wird von einem bärtigen Araber betont freundlich empfangen, es wird gelacht, sich umarmt und der im Orient weitverbreitete Gruß, bei dem sich gute Freunde gegenseitig auf die Wange küssen, wird ausgetauscht. Keine ungewöhnliche Szene, wären die beiden Protagonisten keine mächtigen Staatschefs. So aber ist sie historisch.
Nach mehr als zehn Jahren kehrte Syriens Machthaber Baschar al-Assad (Baath-Partei) wieder auf das weltpolitische Parkett zurück. Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga im saudi-arabischen Dschidda nahm Assad Platz zwischen den Staatschefs der arabischen Welt.
Der geopolitische Einfluß der USA schwindet
Nach einer kurzen Eröffnungsrede des algerischen Premierministers Aymen Benabderrahmane (parteilos) betrat der saudische Kronprinz und Premierminister, Prinz Mohammed bin Salman al-Saud, der Assad zuvor so demonstrativ herzlich begrüßt hatte, das Rednerpult. Er werde nicht zulassen, daß sich der Nahe Osten in einen Konfliktherd verwandle und versprach, sich für „Frieden, das Gute, die Zusammenarbeit und den Aufbau“ einzusetzen. Dann kam er auf Assad zu sprechen. „Es reicht, wenn wir die Vergangenheit hinter uns lassen, indem wir uns an die schmerzhaften Jahre der Konflikte erinnern, die die Region durchlebt hat, die den Menschen Leid brachten und den Entwicklungsprozeß behinderten. Wir freuen uns heute über die Anwesenheit von Präsident Baschar al-Assad auf diesem Gipfeltreffen und über den Beschluß der Arabischen Liga, daß die Delegationen der syrischen Regierung wieder an den Sitzungen des Rates der Arabischen Liga teilnehmen können.“
Des weiteren betonte Prinz Mohammed seine Hoffnung, daß Syrien zu Stabilität und Normalität zurückkehren könne. Die Einladung Assads zeigt zudem, daß der geopolitische Einfluß der USA im Orient schwindet. US-Außenminister Antony Blinken (Demokraten) hatte bereits Wochen vor dem Treffen der Arabischen Liga seine Meinung über Syriens traditionell rußlandaffine Regierung geäußert.
„Minister Blinken machte deutlich, daß die Vereinigten Staaten die Beziehungen zum Assad-Regime nicht normalisieren werden und eine Normalisierung auch nicht unterstützen, solange es keine echten, von den Vereinten Nationen geförderten politischen Fortschritte im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats gibt“, schrieb das Außenministerium. Die Resolution von 2015 fordert freie und faire Wahlen in Syrien unter Aufsicht der Uno.
Assad und seine Regierung lehnen das ab und sind dennoch wieder Teil der Arabischen Liga. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT betonte die syrische Botschaft in Berlin, sie habe breiten Rückhalt im Volk und sei ein Opfer ausländischer Mächte geworden: „Die meisten syrischen Regionen sind sicher und stabil, nachdem der syrische Staat sie von den Terroristen befreien konnte. Die derzeit turbulenten Gebiete beschränken sich auf die Einsatzgebiete der US-Besatzungstruppen und separatistischen Milizen im Nordosten Syriens sowie die Einsatzgebiete der türkischen Besatzungstruppen und Terrorgruppen im Nordosten Syriens.“
Auch sei Damaskus an einer sicheren Rückkehr seiner Staatsbürger interessiert. Die Regierung habe „viele Maßnahmen, unter anderem die Amnestiegesetze, ergriffen, um die sichere und freiwillige Rückkehr von Syrern, die sich im Ausland befinden, zu erleichtern.“ Es seien die westlichen Länder, die diese Maßnahmen „mit fadenscheinigen Vorwänden“ blockierten.
Millionen Syrer mußten ihre Heimat verlassen
Ein in Deutschland lebender Syrer, der anonym bleiben wollte, bestritt diese Darstellung gegenüber der jungen freiheit vehement und sagte, geflohenen Exil-Syrern würde in ihrer alten Heimat viel Verständnis entgegengebracht. Die Mehrheit der Bevölkerung glaube nicht an einen raschen Wiederaufbau ihrer Heimat und wolle schnell weg. Doch das Regime betrachte sie als Verräter. Die Amnestiegesetze seien das Papier nicht wert, auf dem sie stünden. Assad sei ein skrupelloser Diktator, höchstens ein Viertel der Bevölkerung stehe hinter ihm. Mehrheiten für den langjährigen Herrscher gebe es ausschließlich unter den Alawiten. Schließlich profitiere diese konfessionelle Minderheit davon, daß Assad dieser Gruppe angehöre und sie bevorzugt behandle.
Der Bürgerkrieg in dem offiziell laizistischen, aber mehrheitlich islamisch-sunnitisch bevölkerten Land begann im März 2011 mit Protesten gegen den autoritären Führungsstil der alawitischen Assad-Familie. Diese Demonstrationen beantwortete die Regierung mit Schüssen auf die renitenten Bürger.
Zwölf Jahre später hat Syrien laut Uno-Flüchtlingshilfe etwa 6,9 Millionen Binnenflüchtlinge im eigenen Land, mehr als fünf Millionen Syrer haben ihre Heimat verlassen. Vorsichtigsten Schätzungen zufolge starben seit Beginn des Krieges mehr als 300.000 Zivilisten. Syriens Wiedereingliederung in die Arabische Liga kann auf zweierlei Art verstanden werden: als Neuanfang oder als Resignation.